Die Rhön

Rhön – der geheimnisvolle Name kommt wohl vom keltischen »raino«, Hügelland: eine reichlich prosaische Bezeichnung für ein Mittelgebirge. Und doch könnte sie nicht treffender sein, denn die Rhön hat so ziemlich alles zu bieten, was man irgendwie mit einem Hügelland in Verbindung bringen könnte, ein Mosaik von vulkanischen Kuppen, blumigen Hochplateaus, waldigen Hängen und sanft gewellten Tälern. Rhön. Im dunklen Unterton dieses Namens klingt der Eindruck von grauem Basaltfels, düsteren Moore, blumigen Wiesen und luftigen Bergmatten mit.

»Da siehts ja aus wie in der Rhön!«
Wie bitte …?
Rainer sah sich Bilder meiner México-Reise an.
»Naja, die Vulkane.«
Auch Lappland sieht aus wie die Rhön.
»Viel Stein‘, wenig Brot!«


Blick zur Milseburg und Wasserkuppe

Die Toscana sowieso, nur dass die Zypressen bei uns Birken heißen. Nach Rainers Ansicht braucht man nicht zu verreisen, denn es gibt in der weiten Welt auch nichts anderes zu sehen als in der Rhön. So ganz falsch liegt er da gar nicht, denn die Rhön hat beim Schöpfungswerk von allem etwas mitbekommen. Oder, wie es der Rheinländer Aloys Seul so schön gesagt hat, der Herrgott hat hier die Reste zusammengekehrt.


Sonnenaufgang über dem Ulstertal

Die Rhön ist keine Landschaft der Superlative, sie beeindruckt vielmehr durch ihre Vielgestaltigkeit, ihre Gegensätze – einmal präsentiert sie sich rau und karg, dann wieder in überschwänglicher Farbenpracht. Ihre große Vielfalt bedingt auch eine enorme Reichhaltigkeit an Ökosystemen, Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. 1991 wurde die Rhön als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt. Unter Einbeziehung der Bevölkerung und der regionalen Wirtschaft sollen Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges, ökologisch verträgliches Miteinander von Natur und Mensch geschaffen werden, um so die Qualität des Gesamtlebensraums Rhön langfristig zu sichern.


Pferdskopf

Um die Entstehung der Rhöner Berge ranken sich zahlreiche Sagen. Der Missionar Gangolf erledigte den Riesen Mils, der das Volk tyrannisierte, und schaufelte ihm ein gewaltiges Grab – die Milseburg. Dass auch der Teufel seine Hand mit im Spiel hatte, bezeugen zahlreiche Bergnamen wie Teufelstein oder Teufelskanzel.

Die Wissenschaft sieht es freilich nüchterner: Der Rhönvulkanismus ist im geologischen Großzusammenhang des langen oberrheinischen Grabenbruchs zu sehen. Vor etwa 25 Millionen Jahren brachen glühende Laven durch die Sedimentschichten der Trias an die Oberfläche, und ein lang anhaltender Vulkanismus setzte ein. Vulkankegel über einer subtropischen Seenlandschaft mit Zimt- und Eukalyptusbäumen, Krokodilen und Schildkröten: Die reichen oligozänen Fossilfunde von Sieblos am Fuß der Wasserkuppe zeichnen ein lebhaftes Bild aus der Entstehungszeit unserer Landschaft.


Teufelstein

Vulkanische Bildungen wurden in der Rhön in großer Vielgestaltigkeit nachgewiesen, und das Spektrum der aufgefundenen Gesteine zeigt an, dass der miozäne Vulkanismus phasenweise sehr explosiv gewesen sein muss. Nach dem Erlöschen des Vulkanismus erhielt das Landschaftsbild durch weitreichende Erosionsprozesse seinen bislang letzten Schliff, und dabei wurden auch sämtliche primären Oberflächenformen des Vulkanismus beseitigt. Ihr heutiges Landschaftsbild verdankt die Rhön der erosiven Freilegung von vulkanischen Ganggesteinen, die nun als Bergrücken, Kuppen, Kegel und Felswände das mesozoische Deckgebirge aus Muschelkalk und Buntsandstein überragen. Insbesondere in der Kuppenrhön ist die Landschaft gespickt von zahlreichen Lavaschloten aus Phonolith, die durch spätere Erosionsprozesse aus den weicheren Triasgesteinen herauspräpariert wurden. Im Unterschied zur Kuppenrhön sind die Plateaus von der Hohen Rhön bis hin zur Wasserkuppe aus älteren Basalten aufgebaut, die aus großflächigen Oberflächenergüssen resultieren.


Blick von der Milseburg zur Wasserkuppe

Geradezu verrufen war die Rhön als kaltes, armes und unwirtliches Land. Dabei ist es im Vergleich zu den anderen Mittelgebirgen gar nicht so schlecht um die Rhön bestellt – vielleicht war es ihre jahrhundertelange Abgelegenheit, die die Bildung dieser Mythen förderte. Nur die zentralen Gebiete der Rhön sind tatsächlich etwas rau, die Täler sind aber von den milden Klimaten der Randgebiete beeinflusst, und an der Fränkischen Saale wird Wein angebaut. Ohne dass die Wintertemperaturen tiefer liegen als in den anderen Mittelgebirgen, wird die winterliche Kälte auf den baumlosen, ungeschützten Hochflächen extremer empfunden. Wer einmal die beißende Kälte und den schneidenden Wind eines Schneesturmes auf der Hohen Rhön erlebt hat, kann ein Lied davon singen.


Winterabend auf der Eube, Blick zum Dammersfeld

Buchonia, das Buchenland: Fuldaer Mönche prägten im frühen Mittelalter diese Bezeichnung für die waldreichen Gegenden Osthessens. Die territoriale Zersplitterung der Rhön führte bereits während der hochmittelalterlichen Siedlungsphase zur großflächigen Entwaldung bis in die höchsten Berglagen. Auch heute sind nur etwa 40% der Fläche von Wald bedeckt, dabei ist aber der Anteil naturnaher Wälder erfreulich hoch.


Naturwaldreservat Stallberg

Buchenwälder in ihren verschiedenen Ausprägungen sind die vorherrschende potentiell-natürliche Vegetationsform der Rhön, nur ein kleiner Flächenanteil von Hochmooren, Blockhalden und Felsen ist primär waldfrei. Die Blockhalden sind besonders typische Lebensräume der Rhön. Sie entstanden durch die Erosion von Lavadecken, die während der Eiszeiten durch den ständigen Wechsel von Frost und Hitze zerlegt wurden. Wo sich Erde ansammeln kann, bilden sich inselartige Waldfragmente mit Linden, Ulmen und Karpatenbirken.

Die Karpatenbirke Betula carpathica ist ein Eiszeitrelikt auf besonders nährstoffarmen Böden, und die Rhön ist einer der heutigen Verbreitungsschwerpunkte dieser Art. Diese niedrigen, oft krüppelartig wachsenden Bäume bieten vielen Tieren Schutz und Deckung, beispielsweise dem Birkhuhn, das in der Rhön eines der letzten Vorkommen in Mitteleuropa hat.


Karpatenbirken-Blockschuttwald am Steinberg

Die Rhönlandschaft ist schon von Natur aus sehr vielgestaltig, doch der Mensch hat sie im Laufe der Jahrhunderte durch Rodung, Siedlung, Ackerbau, Weide- und Wiesenwirtschaft zu einer strukturreichen Kulturlandschaft umgewandelt. Heute sind gerade die Pflanzen und Tiere des extensiven Grünlandes gefährdet, denn ihre Lebensräume sind einerseits durch Intensivierung der Landwirtschaft bedroht, andererseits aber auch durch vollständige Nutzungsaufgabe. Überließe man die Natur hier ganz sich selbst, so wäre die Rhön binnen kurzer Zeit um viele Lebensräume und Arten ärmer.


Lange Rhön

Magerwiesen gehören heute zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen unserer Landschaft. Einst als Rodungen für Weideflächen oder Wiesenwirtschaft entstanden, wurden sie durch die Intensivierung der Landwirtschaft immer weiter zurückgedrängt. Heute sind die verbliebenen Standorte jedoch insbesondere von Verbrachung, Verbuschung und natürlicher Sukzession bedroht, denn Magerwiesen sind Lebensräume aus Menschenhand und bedürfen einer ständigen Nutzung und Pflege. Besonders artenreich sind die Halbtrockenrasen auf Kalk, die je nach Höhenlage, Exposition und Bodenbeschaffenheit sehr spezifisch ausgebildet sind. In ihrer Größe und Vernetzung sind die Kalk-Halbtrockenrasen der Rhön einmalig in ganz Süddeutschland.


Wacholderheide

Wacholderheiden und Halbtrockenrasen sind Lebensräume von besonderem ökologischem, kulturhistorischem und auch ästhetischem Wert. Die Erhaltung dieser Habitate ist heute nicht einfach zu leisten. Als Glücksfall erwies sich dabei aber die »Renaissance« des Rhönschafes. Diese schwarzköpfige, landschaftstypische Schafrasse war schon fast ausgestorben, doch dann avancierte sie durch gezielte Förderung und geschicktes Marketing zum Kennzeichen und Sympathieträger für ökologischen Landbau in der Rhön. Mit der Beweidung durch die Rhönschafe können viele bedrohte Lebensräume heute wieder in ihrer ursprünglichen Art und Weise genutzt werden.


Rhönschaf

Die Bergwiesen der Rhön sind von europaweiter Bedeutung, da sie hier in einer einmalig-typischen Ausprägung vorkommen, der Storchschnabel-Goldhaferwiese. Diese artenreichen Habitate sind vor allem in den mittleren Höhenlagen an den Hängen der Hochrhön anzutreffen. Eine typische Rhöner Bergwiese wird zweischürig genutzt, einmal im Juni zum Heuschnitt und ein zweites Mal im August / September zum Grummet. Doch die sehr wetterabhängige und arbeitsintensive Heugewinnung lohnt heute kaum noch. Viele Wiesen fallen brach oder werden zu intensiv genutztem Silagegrünland umfunktioniert, und so ist der Artenreichtum in großer Gefahr.

In den Hochlagen der Rhön kommen zahlreiche seltene und hoch spezialisierte Gebirgspflanzen- und Tierarten vor. Manche dieser Arten haben hier Reliktpopulationen und sind genetisch inzwischen von ihren fernab vorkommenden Verwandten isoliert.


Brandknabenkraut in einer Goldhaferwiese am Rand der Hohen Rhön

Die Rhön ist bekannt für ihren Orchideenreichtum. Über vierzig Arten kommen in den verschiedensten Lebensräumen vor, darunter Arten mit nordisch-alpiner Verbreitung und auch solche, die sonst eher im mediterranen Raum zu finden sind. Der Frauenschuh Cypripedium calceolus, die größte und vielleicht schönste heimische Orchideenart, ist jedoch auch in der Rhön sehr selten geworden. An vielen Stellen wurde sie trotz strengem gesetzlichem Schutz durch Abpflücken und Ausgraben ausgerottet. Umso beeindruckender sind die großen Bestände in den lichtdurchfluteten Kiefernwäldern der östlichen Rhön.


Frauenschuh

Trotz ihrer landschaftlichen Reize und ihrer facettenreichen Natur ist die Rhön erstaunlich unbekannt geblieben. Kein Goethe dichtete in der Rhön, und die Romantiker machten einen weiten Bogen um das spröde Bergland in Deutschlands Mitte. Dabei sind die zusammengekehrten Schöpfungsreste kein charakterloser Mischmasch, sondern fügen sich zu einem unverwechselbaren Gesamtbild zusammen.


Winterlandschaft bei Dietershausen

Von einer Wintertour durch die Rhön brachte ich das Bild eines gewaltigen Eis-Wasserfalls mit.
»Oh, wo warst Du da schon wieder?« fragte Rainer.
In der Rhön.
»Ach – sieht gar nicht danach aus!«

So ist die Rhön: eine Landschaft voller Vielfalt, voller Gegensätze, immer wieder aufs Neue überraschend.


Eisfall

Portfolio Rhön

Sehen Sie sich hier mein Portfolio von Rhön-Bildern an.
Weitere Bilder aus der Rhön gibt es in den Portfolios Wunder, Flora-Fauna und Orchideen zu sehen!

Bilder aus der Rhön auf flickr

Auswahl von Rhön-Fotos

Über die folgenden Links können Sie nach Fotos zu bestimmten Themen und Begriffen suchen:

Abend Acker Bach Basalt Baum Baumgruppe Bergwald Blockhalde Blumenwiese Buche Burg Detail Eis Feld Fels Flechte Flora Frühling Halbtrockenrasen Herbst Hochmoor Hutebuche Kalk Kirche Kuppe Licht Moor Moos Morgen Nebel Phonolith Rauhreif Rhönschaf Schnee Sommer Sonnenuntergang Streuobstwiese Tal Tau Vulkankegel Wacholderheide Wald Wandern Wasser Weg Wiese Winter Wolke

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