Sumpf-Stendelwurz Epipactis palustris Orchideen in der Rhön und Mainfranken

Die Stendelwurze gehören – ebenso wie auch die Gattungen Neottia und Cephalanthera – zur Unterfamilie der Epidendroideae innerhalb der Orchideengewächse. Sie ist also verwandt mit den beliebten Zimmerpflanzen namens Phalaenopsis, Cymbidium und Cattleya also. Mit deren prächtigen Blüten kann die Sumpf-Stendelwurz durchaus mithalten, auch wenn sie in den Dimensionen viel bescheidener ist.

Die Stendelwurz-Arten haben allesamt zweiteilige Lippen. Im hinteren Teil, dem Hypochil, bieten sie Blütenbesuchern Nektar an; der vordere, das Epichil, dient als Landeplatz für die Insekten.

Die Sumpf-Stendelwurz

Die Sumpf-Stendelwurz wird sowohl von nektar- als auch von pollensuchenden Insekten besucht. Als hauptsächlicher Bestäuber gilt die Honigbiene, jedoch auch Solitärbienen, Wespen, Schwebfliegen, Schenkelkäfer und sogar Nachtfalter wurden als Bestäuber beobachtet.

Innerhalb der Gattung Epipactis wurde die Sumpf-Stendelwurz von Irmisch als einzige heimische Art zur Sektion Arthrochilium gestellt, die später von Beck in den Rang einer Gattung erhoben wurde. Außerdem ist sie die einzige heimische Vertreterin, die auf sumpfigen Böden wächst.

Im Gebiet der Rhön kommt diese Art insbesondere an den Unterhängen der Kalkberge vor, wo Wasser am Quellhorizont zum Buntsandstein austritt. In den Flusstälern der Randgebiete wächst sie hingegen auch in Talwiesen. Wenn genügend Staunässe im Boden vorhanden ist, können die Pflanzen durchaus auch auf oberflächlich trockenen Böden gedeihen.

In intakten Lebensräumen kommt die Sumpf-Stendelwurz in reichen, mitunter sehr dichten Beständen vor. Doch dieses Bild ist heute sel­ten geworden: Auch in der Rhön ist die Art inzwischen nur noch lückenhaft verbreitet und besonders in den südlichen Gebieten fast ganz verschwunden.

Die größte Bestandsdichte ist in der thüringischen Rhön und an den Hängen der Hohen Rhön zu verzeichnen, in der Kuppenrhön ist sie bereits sehr selten geworden und in den restlichen Gebieten nahezu ausgestorben. Aufgrund anhaltender Bestandsrückgänge ist die Sumpf-Stendelwurz in der Rhön heute eine stark gefährdete Art.


Sumpf-Stendelwurz im Wasserkuppengebiet, Rhön, 17.07.2006

Und ihre Situation verschlechtert sich weiterhin, da viele Wuchsorte durch nitratreiche Düngerfrachten aus umliegenden, landwirtschaftlich intensiv genutzten Arealen beeinträchtigt werden. Höherwüchsige und stickstoffliebende Pflanzen wie beispielsweise der Wasserdost Eupatorium cannabinum verdrängen rasch die konkurrenzschwächere Sumpf-Stendelwurz. Auch durch massive Wasserentnahmen, beispielsweise für die Landwirtschaft, verändern sich Standorte zu Ungunsten der Orchidee. Manche Fundorte, die noch vor zehn Jahren gut besetzt waren, sind heute völlig erloschen. Die verbliebenen Standorte müssen sehr aufwändig mittels manueller Herbstmahd gepflegt werden, um zumindest die restlichen Bestände dieser herrlichen Orchidee zu erhalten.

Nomenklatur

Wissenschaftlicher Name:
Epipactis palustris (L.) Crantz 1769

Gebräuchliche Synonyme:

Deutsche Namen:
Sumpf-Stendelwurz, Echte oder Weiße Sumpfwurz, Sumpf-Sitter

Kurzbeschreibung

Einzige im Sumpf wachsende Stendelwurz. Pflanze stattlich, Wuchshöhe 10-90 cm. Rhizom horizontal, mit zahlreichen dicken Wurzeln. 4 bis 8 mattgrüne, etwas rinnige länglich-lanzettliche Laubblätter. Blütenstand 7- bis 30-blütig. Relativ große, hängende Blüten. Blütengröße 16-25 mm. Sepalen weit spreizend, außen weiß, innen bräunlich-violett. Petalen etwas kürzer, weiß mit rötlichem Grund. Lippe zweiteilig; Hypochil weiß mit roten Adern und zwei orangen Längsleisten. Epichil rundlich, weiß, am Grund mit zwei weißgelben länglichen Wulsten, am Rand gewellt. Bestäubung relativ unspezifisch, besonders durch Bienen, Wespen, Käfer.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: Ende Juni bis Mitte Juli.


Blüten der Sumpf-Stendelwurz, Wasserkuppengebiet, Rhön, 17.07.2006

Vorkommen und Standort

In der Rhön vor allem an Quellhorizonten über Muschelkalk, immer seltener werdend.
Standorte: Feuchtwiesen, Quell-, Hang- und Flachmoore, sumpfige Stellen im Wald. Ausnahmsweise auch auf wechselfeuchten Halbtrockenrasen. Auf basenreichen Böden, meist auf Kalk.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 200 m bis 750 m.
Gesamtverbreitung: Temperates Europa, südwärts in die Gebirge ausstrahlend, in Asien ostwärts bis zum Tien-Shan.

Hybriden

In der Rhön sind Hybriden dieser Art noch nicht bekannt geworden.

Mehr zu dieser Art

» flickr.com | Epipactis palustris – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Sumpf-Stendelwurz
» AHO-Bayern e.V. | Epipactis palustris

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