Kleinblättrige Stendelwurz Epipactis microphylla Orchideen in der Rhön und Mainfranken

Wer Ende Juni in den Rhöner Kalk-Buchenwäldern nach der Kleinblättrigen Stendelwurz sucht, braucht ein gutes Auge. Sie fällt weder durch ihre Form noch durch ihre Farbe oder Größe auf. Außerdem wächst sie nur selten in Gruppen. Wer das Versteckspiel dennoch gewinnt, wird sie sofort erkennen.

Denn trotz ihrer unscheinbaren Gestalt ist sie unverwechselbar: Die ganze Pflanze ist weißlich-filzig behaart, und sie trägt nur wenige, winzig kleine Blätter. Ihre grau-grünen, glockig hängenden Blüten öffnen sich kaum.

Die Kleinblättrige Stendelwurz

Als fakultativ autogame Art bestäubt sich die Kleinblättrige Stendelwurz meist selbst. Die rudimentären Blätter tragen nur wenig zur Ernährung der Pflanze bei. Ähnlich wie die blattlosen Orchideen Nestwurz, Korallenwurz und Widerbart ernährt sich auch die Kleinblättrige Stendelwurz überwiegend mykoheterotroph, das heißt mit Hilfe von Wurzelpilzen, auf die sie zeitlebens angewiesen ist.

Die Kleinblättrige Stendelwurz ist überwiegend im Mittelmeerraum verbreitet, ihre nördlichsten Fundorte liegen in den deutschen Mittelgebirgen. Damit ist sie die einzige bei uns heimische Art mediterraner Herkunft, die im Wald wächst, und die einzige, die auch in höhere Lagen vordringt (in der Rhön bis 800 m).


Kleinblättrige Stendelwurz in einem Kalk-Buchenwald bei Hofbieber, Rhön, 02.07.2006

In der Rhön kommt die Kleinblättrige Stendelwurz zerstreut vor, insbesondere in der thüringischen Rhön, in der Kuppenrhön, am Rande der Hohen Rhön und im Bergwinkel, isoliert auch an der Fränkischen Saale. In der nördlichen Rhön wurde auch die chlorotische Form gefunden.

Die alten Autoren nannten nur wenige Fundorte, doch gründliche Kartierungen der vergangenen Jahrzehnte brachten einige weitere Funde zutage. In schattigen, humosen Kalk-Buchenwäldern der hessischen und thüringischen Rhön kommt sie zerstreut vor, größere Bestände bilden die Ausnahme. Genau wie viele andere Waldorchideen ist auch die Kleinblättrige Stendelwurz in der Rhön insgesamt nicht gefährdet, jedoch lokal durch die Waldbewirtschaftung bedroht. Innerhalb Deutschlands stellt die Rhön ein bedeutendes Teilareal der Art dar.

Nomenklatur

Wissenschaftlicher Name:
Epipactis microphylla (Ehrh.) Sw. 1800

Deutsche Namen:
Klein- oder Kurzblättrige Stendelwurz, Klein- oder Kurzblättriger Sitter


Kleinblättrige Stendelwurz bei Dietershausen, Rhön, 28.07.1996

Kurzbeschreibung

Unscheinbare Pflanze, Wuchshöhe 20-50 cm. Rhizom horizontal, mit zahlreichen dicken Wurzeln. 3 bis 6 violett-bräunliche, kleine Laubblätter. Stängel weiß-filzig behaart, Blütenstand locker, 2- bis 20-blütig. Blütengröße 5-9 mm. Blüten klein, nickend, nelkenartig duftend, wenig öffnend, bisweilen geschlossen bleibend. Grundfarbe der Blüten blassgrün, Petalen und Lippe kräftiger gefärbt, mit leichtem Violett- oder Rotstich. Lippe zweiteilig; Hypochil schüsselförmig, innen gelblich, Epichil mit drei warzenartigen Erhebungen. Fakulativ autogame Pflanze, sich überwiegend selbst bestäubend, gelegentlich durch Ameisen.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: Ende Juni bis Mitte Juli.

Vorkommen und Standort

In der Rhön selten, vor allem in mittleren Berglagen.
Standorte: Schattige Laubwälder, selten auch Nadelwälder. Auf frischen, humus- und nährstoffreichen Böden, meist über Kalk.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 300 m bis 800 m.
Gesamtverbreitung: Europa und Vorderasien mit mediterranem Schwerpunkt, Nordgrenze in Deutschland.

Mehr zu dieser Art

» flickr.com | Epipactis microphylla – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Kleinblättrige Stendelwurz
» AHO-Bayern e.V. | Epipactis microphylla

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