Glasfelderkopf

Eine sehr spontane Herbsttour! Denn noch am Freitag Abend saßen wir zusammen in der Heckenwirtschaft, und weil das Wetter gut werden sollte, war der Entschluss schnell gefasst. Wir haben uns für ein leicht und schnell erreichbares Ziel entschieden: die Allgäuer Alpen.

Ich darf es ja kaum laut sagen, aber ich war noch nie zuvor in den Allgäuer Alpen. Dabei liegen sie so nah und sind so interessant! Seit 20 Jahren bin ich mit meinem Vater gemeinsam in den Bergen unterwegs, aber an den Allgäuer Alpen sind wir stets vorbeigefahren. Das soll sich nun ändern. Zunächst möchten wir einen Platz auf der Hütte reservieren, aber das ist gar nicht so einfach. Die im Alpenvereinsführer angegebene Telefonnummer gibt es nicht mehr, und auf der Nummer, die von der Auskunft genannt wird, kommt eine Ansage: »Bitte reservieren Sie per e-Mail oder Fax, dieses Band wird sowieso nicht abgehört.«

Nun ja, immerhin eine klare Aussage. Also werden wir uns auf unser Glück verlassen.


Blick vom Glasfelderkopf zu den Tannheimer Bergen

In der Früh geht es los, wir fahren südwärts bis nach Bad Hindelang. Wir müssen uns etwas sputen, um den Bus von Hinterstein zum Giebelhaus zu erreichen. Während wir unsere Sieben Sachen zusammenpacken, rast eine Kuhherde auf der Weide oberhalb des Parkplatzes auf uns zu, an uns vorbei in Richtung Dorf. Vielleicht ein selbstorganisierter Almabtrieb? Wir verstehen jedenfalls unser eigenes Wort nicht mehr, so laut ist das Geläute.

Der Bus steht schon bereit, als wir mit einem unvorhersehbaren Problem konfrontiert werden: die Parkgebühren sind unverschämt teuer hier im Kurort, der Automat nimmt aber nur Münzen. 12,50 Euro in Münzen muss man erst einmal zusammenbringen! Aber irgendwo im Auto findet mein Vater noch das nötige Kleingeld, und so kann die Fahrt losgehen.

Vom Giebelhaus geht es erst einmal einige Kilometer zu Fuß auf der Teerstraße weiter, aber dann führt der Weg hinab ins Tal und drüben wieder hinauf, an einem schönen Wasserfall vorbei, zur Bärgündele-Alpe. Der Weiterweg zum Prinz-Luitpold-Haus führt steil hinauf, dabei eröffnen sich herrliche Blicke zum Schneck (2268 m), einem der typischen Allgäuer Grasberge. Die Ammergauer Schichten, aus denen dieser Bergzug aufgebaut ist, sind kieselhaltig, sehr widerstandsfähig und nährstoffreich. Und so kommt es, dass an den sehr steilen Berghängen kaum Erosionsspuren oder Blockhalden zutage treten, stattdessen sind selbst steilste Hänge mit Gras bewachsen. Rasch kommen wir höher, und ein eisiger Fallwind weht uns entgegen. Eindrucksvoll ist der Blick auf die Strukturen der gefalteten Hauptdolomit-Schichten am Wiedemerkopf und an der Fuchskarspitze, die im Neuschnee erst richtig deutlich rauskommen.


Glasfelderkopf und Kesselspitz, Felsstrukturen im Neuschnee

An der Hütte angekommen, starten wir unseren nächsten Reservierungsversuch.
»Lager wern erscht um zwoa verteilt«.

Auf unseren Hinweis, dass bereits die telefonische Reservierung scheiterte, sagt die Wirtin, dass hier oben kein Empfang ist. Seltsam, denn auf der Terrasse sitzen Herren mit Mobiltelefonen am Ohr, ob sie vielleicht Halluzinationen haben? Egal, wir lassen uns die Käsespätzle schmecken und wandern dann hinauf in Richtung Bockkarscharte. Den ursprünglich geplanten Hochvogel lassen wir wegen des vielen Schnees sausen, da mein Vater noch Rückenprobleme auskuriert und in Kürze eine größere Reise antreten will. Da muss man den Knöchelbruch ja nicht unbedingt herausfordern.

Vorbei an prächtig blühenden Enzianen und Silberdisteln wandern wir durch schmierigen Matsch aufwärts. Nach wenigen Metern Aufstieg sind wir bis zu den Knien völlig verdreckt, aber den anderen Wanderern ergeht es auch nicht anders. Auf der Bockkarscharte wehen Gebetsfähnchen mit langen Eisbärten. Doch die wärmende Sonne lässt Eis und Schnee auch an diesem kalten Herbsttag rasch tauen.


Blick vom Glasfelderkopf zum Hochvogel

Von der Bockkarscharte führt ein Pfad hinauf zum Glasfelderkopf. Unvermittelt stehen wir am scharfen Gipfelgrat, der ziemlich jäh nach Norden abbricht. Obwohl die Nordflanke bereits winterlich verschneit ist, kommt es uns hier wärmer vor, weil wir im Windschatten sind. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für die wenigen Meter bis zum höchsten Punkt nötig. Von hier oben haben wir eine herrliche Aussicht auf die Tannheimer Berge, zum Hochvogel, zur Höfats und zu den Schafalpenköpfen. Die Lechtaler Alpen sind in Wolken gehüllt.

Nach einer langen Pause wandern wir wieder hinunter zum Haus und erhalten ein Lager. Heute sind sehr viele Gäste da, wir schätzen etwa 200, aber damit ist die Hütte noch lange nicht voll. Allein in unserem Lager sind 50 Gäste untergebracht. Dennoch werden wir sehr freundlich bewirtet, und an der Souveränität des Personals merken wir, dass diese Besuchermassen anscheinend Normalität hier oben sind. Interessant ist weiterhin, dass wir offenbar die einzigen Nicht-Schwaben auf der Hütte sind…


Abstieg vom Glasfelderkopf, hinten Höfats und Schneck

Am nächsten Morgen steigen wir gemächlich ab. Wir nehmen einen kleinen Umweg durch das obere Bärgündele-Tal in Kauf und genießen dabei nochmals die Ruhe und Kühle des Herbstes. Rasch sind wir wieder unten am Giebelhaus, stoßen auf die kurze, aber gelungene Tour an und fahren mit dem Bus hinab nach Hinterstein. Bei einer Brotzeit lassen wir die Tour ausklingen und sind am frühen Nachmittag schon wieder zurück. Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir ins Allgäu gefahren sind. Auch im Frühjahr, zur Blütezeit, ist es hier sicher einmalig schön.

Aber dann werden wir uns aber einen anderen Ausgangspunkt suchen, Hindelang »Bad« sein lassen und auf die »Kurtaxe« pfeifen.


Schwalbenwurz-Enzian, Gentiana asclepiadea

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2 Kommentare

  1. am sonntag war ich ebenfalls am hochvogel unterwegs, die im urprünglichen sinne als herbstour angedachte wanderung über den bäumenheimer weg entpuppte sich aber schnell als ausgereifte wintertour. jede menge, bis hüfttiefer neuschnee liesen den gipfel schließlich unerreichbar werden, sogar gamaschen und schneeshuhe haben wir uns gewünscht. die kulisse der zeküfteten allgäuer alpen war den ausflug aber dennoch wert.
    gruß, daniel

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