Nationalpark Sarek und Welterbe Laponia

L»Lappland… Kennen Sie Lappland? Entschuldigung, was für eine törichte Frage. Natürlich kennen Sie Lappland!« Dem Protagonisten Harald Behringer in Klaus Böldls Roman ‚Südlich von Abisko‘ muss diese Frage in der Tat töricht vorkommen. Kann man dieses Land überhaupt kennen? Unter dem weiten Himmel des Nordens breitet sich ein Land aus, das die Maßstäbe unserer Wahrnehmung verschiebt, alternierend zwischen Realität und Mythos, zwischen Klarheit und Traum.

Oft werden die Landschaften Nordskandinaviens als »Europas letzte Wildnis« bezeichnet – das ist aber nur unsere mitteleuropäisch-zivilisatorische Sichtweise, denn Menschen leben hier seit mehr als 7000 Jahren im Einklang mit der Natur.

Lappland, Sápmi, Laponia

Lappland, oder besser: Sápmi, das ist das Land der Samen – eines Volkes, dem Grenzen fremd sind, und das doch in vier verschiedenen Staaten leben muss: in Schweden, Finnland, Norwegen und Russland. Der autochthone Name setzt sich zwar nur langsam durch, wird aber allein schon aus Respekt vor der einheimischen Bevölkerung immer öfter verwendet. Die Kultur der Sami wäre im christianisierten, zentralisierten und industrialisierten Skandinavien beinahe verloren gegangen, und das Alltagsleben in der Wildnis ist in der modernen Gesellschaft mit soziologischen Konflikten und strukturellen Problemen verbunden.


Bootstaxi auf dem Laitaure

Doch im Herzen von Sápmi, in den Hochgebirgslandschaften der Skanden und in den vorgelagerten Wäldern und Seengebieten, folgen einige Samen noch ihrem traditionellen Lebensrhythmus, der sich ganz am Jahreszyklus der Natur orientiert, an den Wanderungen ihrer Rentiere. Sie arbeiten mit Hingabe, mit modernster Technik und unter betriebswirtschaftlichen Aspekten an der Rettung der samischen Lebenskultur und ihrer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft.


Flusslandschaft am Skalka bei Jokkmokk

Hier liegt das UNESCO-Welterbe Laponia, gleichzeitig Natur- und Kulturerbe, in dem die Einzigartigkeit und Ursprünglichkeit dieser arktischen Kulturlandschaft bewahrt werden soll. Laponia umfasst die Nationalparks Sarek, Padjelanta, Stora Sjöfallet und Muddus mit ihren großartigen Gletscherbergen, weiten Hochebenen, wilden Mooren, endlosen Wäldern und reißenden Strömen. Der Fluss Rapa, der von den Gletschern des Sarek kommt, durchzieht das Land wie eine Pulsader. Auf hundert Kilometern vom letzten Ort Jokkmokk bis ins Bergland hinein ist er nicht Fluss und nicht See, sondern ein mehr oder weniger breites, gewaltig und ruhig dahinfließendes Gewässer.


Am See Laitaure, auf dem Weg in den Sarek-Nationalpark

Zum Skierffe

Am Rand der hohen Berge, am See Laitaure auf dem Weg in den Sarek, kehrt die unendliche Stille des Nordens ein, und der Pulsschlag ist umso kraftvoller spürbar. Das Rapatal öffnet sich wie ein großes Portal ins wilde Gebirge. Das markante Felshorn des Skierffe wird sichtbar, die düsteren Hänge des Tjåkkelij jenseits des Rapatals, und dazwischen der niedrigere Berg Nammasj mitten im Tal.


Stille – der See Laitaure mit der Kulisse der Sarekberge, rechts das spitze Felshorn des Skierffe

Am Ufer des Laitaure liegt die Samensiedlung Aktse, hier betreibt die Samenfamilie Läntha eine kleine Fjällstation und bewirtet Wanderer mit Polarbrot und geräuchertem Fisch. Hinter Aktse verlässt der Pfad das mückenverseuchte Tal und führt hinauf aufs einsame Fjäll und weiter zum Skierffe.


Kein Weg,
keine Blume,
kein Schmetterling,
kein Rauschen des Windes,
kein Zwitschern eines Vogels,
kein Wort zwwischen uns –
nichts.
Nur Himmel und Erde.

Am Abhang des Skierffe taucht plötzlich ein Mann auf. »Ihr seid nah am schönsten Punkt Skandinaviens. Aber passt an den Klippen auf!« Schon ist er wieder hinter den Felsblöcken verschwunden. Wahrscheinlich ist er immer hier, ein gutmütiger Troll, der die Wanderer auf das nun Kommende einstimmt, oder eine Art Tempelwächter, Gralshüter dieses Naturspektakels, das sich nun hinter dem Abgrund auftut.


Blick vom Skierffe auf das Rapadelta – vielleicht die schönste Aussicht Europas…

Über 700 vertikale Meter stürzt der Blick von den Klippen des Skierffe hinab ins Rapadalen. Der Fluss liegt in Schlingen ausgebreitet, in vielfältigen Farben, die je nach Jahreszeit und Wasserspeisung ganz unterschiedlich sind. Eiszeitliche Gletscher haben dieses Trogtal ausgehobelt, das heute von dieser einzigartigen Flusslandschaft ausgefüllt ist. Nach dem Blick aufs überwältigende Ganze verliert sich das Auge in den Details: Galeriewälder entlang der Flusarme, dazwischen undurchdringliche Moorbereiche und Toteislöcher, die nun mit Seen ausgefüllt sind, Felsbrocken am Fuß der Felswand, zwischen denen eine samische Opferstätte liegt.

Am Horizont reihen sich die über zweitausend Meter hohen Berge des Pårte- und Gadoktjåkka-Massivs aneinander, Berge mit unaussprechlichen Namen: Boarektjåkka, Pårtetjåkka, Balgattjåkka und Lullihatjåkka, dann Gadoktjåkka, Gådokgaskatjåkka, Oalgasj und Bielloriehppe. Diesen düsteren, unheimlich anmutenden Bergmassiven hat Alfred Andersch in seinen ‚Wanderungen im Norden‘ ein literarisches Denkmal gesetzt. Für die Samen sind die Hänge dieser Hochgebirge Sommerweidegebiete für die Rentiere.


Berglandschaft des Sarek, am Horizont die Berge des Pårte-Massivs

Nördlich grenzt der Sarek an den Stora Sjöfallets Nationalpark an. Bis nach Ritsem führt eine lange Straße am großen See Akkajaure entlang. Nebelverhangen ragt das Bergmassiv des Akka jenseits des Sees auf. Das samische Wort ‚Akka‘ bedeutet Oma, aber auch Königin: Akka, die Königin Sápmis. Die über zweitausend Meter hohen Gipfel dieses freistehenden Bergmassivs gehören zu den höchsten Gipfeln Sápmis. Der Akkajaure wurde zur Energiegewinnung künstlich vergrößert, und die berühmten Wasserfälle des Stora Sjöfallet sind seither ihrer Wassergewalt beraubt.


Der Akkajaure mit dem Bergmassiv des Akka

Tourenübersicht: Skierffe

Bilder der Reise auf flickr

eine Auswahl von Fotos der Reise

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