Das Bleiche Waldvögelein ist die Charakterart des Orchideen-Buchenwaldes, des Cephalanthero-Fagion, der die Hanglagen der Rhöner Kalkkuppen dominiert. Gleichzeitig ist es die am weitesten verbreitete unserer drei heimischen Waldvögelein-Arten.
Als kalkliebende Pflanze ist es in den Muschelkalkgebieten der Rhön am häufigsten, es kommt jedoch auch über Basalt vor.
Das Bleiche Waldvögelein
Auf Buntsandstein findet sich das Bleiche Waldvögelein manchmal an den Rändern kalkgeschotterter Waldwege ein, zumal es hier auch die idealen Lichtverhältnisse vorfindet. Am häufigsten ist es bei uns in den tieferen und mittleren Lagen, in den Hochlagen der Rhön ist diese recht wärmeliebende Art dagegen seltener zu finden.
In den Kalk-Buchenwäldern ist diese Art regelmäßig und in guten Beständen zu finden. Doch auch in lichten Kiefernwäldern, unter Solitärbäumen auf Halbtrockenrasen und in jungen Laubholz-Anpflanzungen kann sie individuenreiche Schwärme bilden. Gelegentlich dringt sie in schattige Wälder ein, sogar in Fichten-Monokulturen kann sie reiche Bestände bilden. Auch urbane Lebensräume wie Parks und Friedhöfe werden von der Art besiedelt.
Die Pflanze ist gut zu erkennen an ihren breiten, eiförmig-lanzettlichen Blättern und an ihren elfenbeinfarbenen Blüten, die sich normalerweise kaum öffnen. Das brauchen sie auch nicht unbedingt, da das Bleiche Waldvögelein fakultativ autogam ist und sich bei ausbleibendem Blütenbesuch selbst bestäubt. Ein anderes sicheres Unterscheidungsmerkmal zum Schmalblättrigen Waldvögelein sind die großen Tragblätter, die auch nach oben hin länger als die Blüten sind.
Bleiches Waldvögelein in der südlichen Rhön, 22.05.2005
Aus der südlichen Rhön wurde die chlorotische Form dieser Art bekannt. Ebenso wie viele andere Waldorchideen hat auch das Bleiche Waldvögelein eigenartige Ernährungsgewohnheiten: es ist nicht autotroph. Denn obwohl es grüne Blätter trägt, bezieht es je nach den Lichtverhältnissen am Standort nahezu die Hälfte seines Kohlenstoffbedarfs von seinen Wurzelpilzen. Diese wiederum können Ektomykorrhiza-Partner von Bäumen sein, woraus sich die Affinität der Orchidee zum umgebenden Baumbestand erklärt. Der Wurzelpilz wird sozusagen zum Überbringer des vom Baum gewonnenen Kohlenstoffs verdonnert: ein Phänomen, das als Epiparasitismus bezeichnet wird. Das Bleiche Waldvögelein ist in der Rhön aufgrund seiner guten und stabilen Bestandssituation nicht gefährdet. Wie alle Waldorchideen ist es aber lokal durch unsachgemäße oder nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung bedroht.
Nomenklatur
Wissenschaftlicher Name:
Cephalanthera damasonium (
Deutsche Namen:
Bleiches, Blasses oder Weißes Waldvögelein
Kurzbeschreibung
Stämmige, kräftige Pflanze, Wuchshöhe 15-60 cm. Rhizom horizontal kriechend, kurz, verzweigt und bewurzelt. 3 bis 6 eiförmige, am Stängel verteilte, schräg oder waagrecht abstehende Blätter. Blütenstand 2- bis 20-blütig, locker. Tragblätter groß, laubblattähnlich, obere jedoch kleiner werdend. Blütengröße 12-18 mm. Blüten cremefarbig, eng am Stängel anliegend, kaum öffnend. Lippe zweiteilig, Hypochil mit aufrecht stehenden dreieckigen Seitenlappen und gelbem Fleck, Epichil herzförmig mit gelben Leistchen. Fakultativ autogam, selten durch Bienen bestäubt.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: Mitte Mai bis Anfang Juli.
Geöffnete Blüte; südliche Rhön, 22.05.2005
Vorkommen und Standort
In der Rhön allgemein verbreitet in den Kalkgebieten, jedoch auch an kalkgeschotterten Wegrändern in den Sandsteingebieten zu finden.
Standorte: Charakterart des Orchideen-Buchenwaldes; schattige bis halbschattige Laub- und Mischwälder, Säume, Gebüsche, Halbtrockenrasen. Kalkstet.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 200 m bis 850 m.
Gesamtverbreitung: Temperates Europa bis Vorderasien, nordwärts bis zum 57. Breitengrad.
Hybriden
Das Bleiche Waldvögelein bildet Hybriden mit den anderen beiden heimischen Arten. Im Gebiet der Rhön wurde davon bisher erst eine nachgewiesen, nämlich die mit dem Schmalblättrigen Waldvögelein: Cephalanthera × schulzei.
Mehr zu dieser Art
» flickr.com | Cephalanthera damasonium – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Weißes Waldvöglein
» AHO-Bayern e.V. | Cephalanthera damasonium
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