Ganz zweifellos ist der Frauenschuh die bekannteste heimische Orchidee, und viele Naturfreunde halten ihn dank seiner prächtigen Blüten auch für die schönste. Der wissenschaftliche Gattungsname geht auf die griechische Bezeichnung »kypris« für Venus, die Göttin der Schönheit und Liebe, zurück.
In vielen Regionen Mitteleuropas ist der Frauenschuh sehr selten geworden – so auch in der Rhön. Viele Vorkommen, die in der lokalen Bevölkerung seit alters her bekannt waren, sind bereits verschwunden. Wie keine andere heimische Orchidee ist er auch heute noch durch Nachstellungen rücksichtsloser Menschen gefährdet, die ihn am Standort pflücken oder gar ausgraben. Doch der Frauenschuh ist eine sehr anspruchsvolle Pflanzenart, die höchste Ansprüche an ihren Standort stellt und in fremder Umgebung schnell zugrunde geht.
Der Frauenschuh
Der Frauenschuh gehört zu den Rhizomorchideen. Seine Wurzeln sind sehr ausdauernd und erneuern sich entlang der Sprossachse. Durch vegetative Vermehrung bildet der Frauenschuh oft Horste von mehreren Pflanzen. Von der Samenkeimung bis zur ersten Blüte einer Pflanze vergehen mindestens sechs Jahre. Im April zeigen sich die großen, flauschigen Laubblätter, Mitte Mai öffnen sich die schokoladenbraunen Knospen und geben den leuchtend zitronengelben Schuh frei, der mit seinem zarten Aprikosenduft Sandbienen und Fliegen anlockt. Die Insekten rutschen vom glitschigen Rand in den Schuh hinein. Im hinteren Teil führt ein Ausweg heraus, vorbei an den Bestäubungsorganen. Dort fängt sich das Insekt die klebrige Pollenmasse ein, die es dann an der Narbe der nächsten Blüte wieder abstreift. Auf den Blüten lauern oft kleine Krabbenspinnen, die hilflose Bestäuber erbeuten.
Frauenschuh im lichten Kiefernwald bei Meiningen, Rhön, 27.05.2005
Frauenschuh im Abendlicht am südlichen Rand der Rhön, 07.05.2018
Im Vergleich zu älteren Aufzeichnungen ist der Frauenschuh in der Rhön sehr stark zurückgegangen. In der zentralen Rhön sind aktuell nur noch wenige Standorte in montanen Laubwäldern bekannt, die ehemals recht zahlreichen Fundorte im Hünfelder Land und in der Kuppenrhön sind nahezu erloschen. Die gegenwärtige Hauptverbreitung liegt in den Kiefernwäldern der östlichen Rhön von Geisa über Meiningen und entlang der Fränkischen Saale. Zahlreiche Populationen bestehen jedoch nur aus wenigen Pflanzen, und auch in jüngster Zeit sind Vorkommen erloschen. Selten wurden auch in der Rhön Farbvarianten mit grünen oder goldgelben Sepalen und Petalen gefunden: var. flavum, »Goldschuh«. Eine Besonderheit ist der seit einigen Jahren konstant auftretende Frauenschuh mit labelloiden Petalen an einem Standort zwischen Wern und Fränkischer Saale.
Als Halbschattenpflanze reagiert der Frauenschuh sehr empfindlich auf Veränderungen im Lichtregime seines Standortes. Die Nieder- oder Mittelwaldnutzung vergangener Jahrhunderte kam ihm sehr zugute, doch die heute übliche Hochwaldnutzung der Biotope ist dem Frauenschuh abträglich: wenn sich die Baumkronen dichter schließen, bleiben zunächst die Blüten aus, und später stirbt die Pflanze ganz ab. Im Rahmen des europäischen Naturschutzprogrammes Natura 2000 gilt dem Frauenschuh als prioritärer Art besondere Aufmerksamkeit. Dabei werden seine Vorkommen systematisch beobachtet, so dass Grundlagen für eine langfristige Sicherung seines Bestandes geschaffen werden können.
Nomenklatur
Wissenschaftlicher Name:
Cypripedium calceolus L. 1753
Deutsche Namen:
Frauenschuh, Gelber Frauenschuh, Rotbrauner Frauenschuh, Marien-Frauenschuh
Kurzbeschreibung
Unverwechselbare, stattliche Pflanze. Wuchshöhe 25-60 cm. Rhizom horizontal, durch vegetative Sprossteilung zur Bildung von Horsten neigend. 3 bis 6 Blätter, groß, eiförmig, flaumig, rinnig, am Rand gewellt, am Stängel verteilt, im Austrieb tütenförmig gerollt. Blütenstand meist ein- oder zweiblütig, selten mehrblütig. Tragblätter groß, ähnlich den Laubblättern. Blütengröße 45-65 mm. Sepalen und Petalen schokoladenbraun, spreizend, verzwirbelt. Die seitlichen Sepalen sind bis zur Spitze verwachsen und stehen daher nach unten. Lippe zitronengelb, bauchig, innen am Grund behaart. Kesselfallenblume, Bestäubung insbesondere durch Bienen; die Insekten rutschen vom glatten Rand in die Lippe und bestäuben die Blüte beim Ausstieg. Zwei fertile Staubblätter, ein drittes ist steril, rot gefleckt und steht schildförmig über der Narbe. Aprikosenduft.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: (Anfang Mai -) Mitte Mai – Mitte Juni
Gelbgrüne Varietät, Mainfranken, 26.05.2019
Varietät mit labelloiden Petalen, Mainfranken, 17.05.2013
Vorkommen und Standort
In der Rhön selten geworden, heute vor allem in den östlichen Randgebieten.
Standorte: Laub-, Misch- und Nadelwald, Lichtungen, liebt Halbschatten. Kalkstet und sehr anspruchsvoll bezüglich der Bodenbeschaffenheit.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 200 m bis 850 m.
Gesamtverbreitung: Boreales Eurasien, südwärts in die Gebirge ausstrahlend.
Mehr zu dieser Art
» flickr.com | Cypripedium calceolus – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Gelber Frauenschuh
» AHO-Bayern e.V. | Cypripedium calceolus
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