Pleisenspitze

Inzwischen hat es sich auch bis ins tiefste Frankenland herumgesprochen, dass das Schneeschuhgehen »in« ist. Aufgrund chronischen Schneemangels in der heimischen Rhön ist der logistische Aufwand dafür zwar relativ hoch, aber es gibt ja glücklicherweise auch schnell erreichbare Ziele am nördlichen Alpenrand. Der Blick auf die Karte zeigt: die Pleisenspitze ist ein perfekter Schneeschuhberg, sichere Verhältnisse vorausgesetzt. Und so machen sich zwei Preißn auf den Weg zur Pleisn.

Das Schöne am winterlichen Wandern ist, dass sich dafür vorzugsweise jene »Hatscher« eignen, die im Sommer zu langweilig wären, zu südexponiert oder beides. Die Pleisenspitze im Karwendel fällt genau in diese Kategorie und ist daher im Winter sogar attraktiver als im Sommer. Deshalb öffnet der freundliche Wirt der Pleisenhütte seine Herberge ganzjährig an den Wochenenden. Er ist der Sohn des legendären Pleisn-Toni, der die Hütte erbaut und zahlreiche Wege erschlossen hat. In 2007, kurz vor unserer Tour, ist der Toni verstorben, und nun ist die Pleisn um eine Attraktion ärmer. Als Zweitagestour, mit einer Übernachtung auf der gemütlichen Pleisenhütte, wird die Besteigung der Pleisenpitze zu einer runden Sache, wenngleich der Wegverlauf überhaupt nicht rund ist: es gibt nur die eine Route, auf der es hinauf und wieder hinab geht.


Die Pleisenspitze

Ein letzter Wettercheck, dann raus aus dem Büro, Rucksack packen und am nächsten Morgen früh auf die Autobahn. Ein wunderbares Frühlingswochenende kündigt sich an, der sanfte Südwind hat schon allerlei Blumen hervorgelockt. In den Talwiesen am Alpenrand blühen die Krokusse, Spaziergänger und Radfahrer sind unterwegs. Entsprechend gut gefüllt ist der Parkplatz in Scharnitz. Doch das Karwendel ist groß, und die Menschenmassen verlieren sich schnell in den Weiten der Täler. Der Aufstiegsweg führt rasch bergan durch harzig duftende Bergwälder. Überall kündigt sich der Frühling an – Vögel sammeln emsig Nistmaterial, Leberblümchen blühen am Waldboden und Lärchenzweige zeigen erstes, zartes Grün.


Blick zur Brunnensteinspitze und zur Mieminger Kette

Wir haben noch Zeit, nach zwei Stunden Dösen in der Sonne starten wir zum Gipfel, freilich nicht ohne den Wirt zu informieren, dass wir erst spät zurückkommen wollen. Zweieinhalb Stunden wird er Aufstieg etwa dauern. Kurz oberhalb der Pleisenhütte kommen die Schneeschuhe zum Einsatz, denn die Sonne und die Wärme des vergangenen Tages haben einen Sulz allererster Güte hinterlassen.

Ein paar Gruppen von Schneeschuhgängern kommen noch vom Gipfel herab.
»Wollts ihr jetz noch hoch?« Ja.
»Ihr seids aber spät dran, bei dem Sulz! Seid’s Preißn?«
Na klar – wer sonst geht bei so einem Sulz da hinauf…
Er spricht es nicht aus, aber es steht ihm in sein grinsendes Gesicht geschrieben.
»Na dann viel Spaß!« Danke, den haben wir ganz bestimmt! Weiter gehts, die Bayern lachen, wir auch, denn die Pleisenspitze gehört uns nun ganz allein. Wenn das Timing passt, sind wir zum Sonnenuntergang oben.

Der Gipfelhang zieht sich ganz schön. Das Gipfelkreuz ist zwar ständig in Sichtweite, aber der Blickwinkel ist verkürzt, so dass die Distanz kaum abzuschätzen ist. Rasch sinkt die Sonne tiefer, die blauen Gipfel der Mieminger Kette werfen ihre Schatten auf den Dunst. Hinter den Karwendelketten rücken die Zillertaler und Stubaier Alpen ins Blickfeld, Habicht und Olperer grüßen.


Aufstieg zur Pleisenspitze

Am Gipfelkreuz packt Jan einen Rhönwurz aus. Entweder einen Bocksbeutel oder einen Kräuterschnaps hat er im Gebirge immer dabei. Die schönste Stunde des Tages beginnt mit einem Farbenfeuerwerk: Der Himmel im Westen, hinter Mieminger Kette und Wetterstein, färbt sich orange, im Osten kontrastieren Rosatöne mit den kaltblauen, schon im Schatten liegenden Bergflanken.


Sonnenuntergang auf der Pleisenspitze – Blick zum Wetterstein


Karwendel-Hauptkamm

Die Sonne zieht hinter der Zugspitze vorbei und geht exakt hinter der Kellespitze unter. Jetzt flammt ein glutroter Lichtschein an den Wolken auf, dann senkt sich das Blau der Nacht herab. Die Füße werden langsam kalt. Noch ein Schluck Rhönwurz, und dann geht es im Lichtschein der Stirnlampe wieder hinunter. Die Spur ist bestens erkennbar, und so ist die Pleisenhütte schnell wieder erreicht.


Nacht über den Karwendelgipfeln

Der Wirt hat noch zwei ganz große Portionen vom Eintopf für uns aufgehoben. Er schaut sich unsere Bilder auf der Digitalkamera an und stellt fest, dass er schon lange nicht mehr zum Sonnenuntergang oben war. Wir sitzen noch bis spät in die Nacht zusammen; die Pleisenhütte ist eine Privathütte, und deshalb legt der Wirt fest, wann Hüttenruhe ist.

Am nächsten Morgen ist Ausschlafen angesagt, während die anderen Übernachtungsgäste zum Gipfel stapfen. Wir frühstücken gemütlich und steigen Mittags wieder ab.

Berge adé, Winter adé, jetzt kann der Frühling kommen.


Krokuswiesen bei Heiterwang

Bilder von der Tour auf flickr

Allgäu und Ehrwalder Moos
Tour auf die Pleisenspitze
Krokusblüte bei Heiterwang

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2 Kommentare

  1. Da hast Du aber auch ein sehr schönes Bergerlebnis zu Ostern gehabt! Tolle Bilder, vor allem die vom Sonnenuntergang. Bei uns war es umgekehrt – wir waren meistens am frühen Nachmittag wieder auf der Hütte ;-) War das jetzt Deine Schneeschuh-Premiere!? Super, da freu ich doch jetzt schon auf eine gemeinsame Tour im nächsten Winter.
    lg Andi

    Antwort von Marco:
    Ja, es war tatsächlich die Premiere. Die gemeinsame Tour machen wir!
    Gruß von Marco

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