Venedig

Über Venedig ist längst alles geschrieben worden, was es zu schreiben gibt. Nur eine Fußnote könnte man vielleicht hinzufügen: Venedig wird bestimmt nicht im Schlamm der Lagune versinken. Angesichts der Klimaprognosen sollte man vielleicht nicht zu viel darauf verwetten, dass es so kommen wird. Obwohl – Überflutung ist ja wieder was anderes als Untergang.

Die Geschichte vom Untergang war vermutlich schon im Mittelalter ein Werbegag, denn die Venezianer haben ihre Stadt sehr intelligent auf Holzpfählen errichet, die in den Untergrund getrieben wurden und in ständiger Durchfeuchtung bestens vor Verrottung geschützt sind. Jedenfalls sind auch damals schon einige Touristen in die Stadt gekommen, um sie vor dem Untergang noch schnell zu besichtigen – beispielsweise Albrecht Dürer aus der Partnerstadt Nürnberg.


Campanile am Markusplatz

Dass Venedig im 20. Jahrhundert dann tatsächlich einen Viertelmeter absackte, lag nicht an den Baumeistern, sondern an zu intensiver Wasserentnahme aus der Lagune. Derzeit wird ein druckluftbetriebenes Schleusensystem errichtet, das in einigen Jahren fertig werden und die Stadt vor Hochwasser schützen soll. Die ökologischen Auswirkungen für die Lagune kann man ja erstmal abwarten.


Gondeln an der Riva degli Schiavoni, hinten San Giorgio Maggiore

Venedig hat eine mehr als tausendjährige Erfahrung im Ideenklau. Nicht nur die Architektur des romanischen Markusdomes (10. / 11. Jahrhundert), sondern auch die Formensprache der prachtvollen mittelalterlichen Palazzi haben die Venezianer in der Partnerstadt Byzanz gesehen und daheim abgekupfert. Apropos Kupfer – im Jahr 1204 wurden die Venezianer während des vierten Kreuzzuges dann auch noch auf vier antike Bronzepferde aufmerksam, die sie als Souvenirs aus Byzanz mitbrachten und die, wie sich herausstellte, gerade noch bei der Dekoration der Domfassade gefehlt hatten. Zum damaligen Zeitpunkt war Byzanz übrigens Juniorpartnerstadt und schon nicht mehr ganz gleichberechtigt im Machtgefüge des oströmischen Reiches.

Der allerwichtigste Diebstahl der venezianischen Geschichte, nämlich der Raub der Gebeine des heiligen Markus, war damals schon längst verjährt, zumindest nach irdischen Maßstäben.


Der Markusdom mit den berühmten Bronzepferden

In der Renaissance und im Barock war Venedig dann selbstbewußt genug, um dem Stil der Zeit seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Tizian, Tintoretto und später auch Tiepolo – drei Meister, die den Geist ihrer Zeit eindrucksvoll unterschiedlich interpretierten. Aus der Glanzzeit des Barock stammen auch einige der Kuppelkirchen, die so typisch für Venedigs Postkarten geworden sind. Auch auf einigen meiner Fotos sind sie drauf, glaube ich.


Santa Maria della Salute

In der Dämmerung wirkt Venedig besonders marode. Meine Frau sagt: romantisch. Aber ich bleibe bei marode, denn ich kenne mich aus mit Altbausubstanz. Wir vergondeln unsere Zeit und fahren mit dem Vaporetto den gesamten Canal Grande rauf und wieder runter. Danach ist der richtige Zeitpunkt für eine Ombra gekommen: die venezianische Art, ein Glas Wein zu trinken. Für Einheimische ist eigentlich immer der richtige Zeitpunkt für eine Ombra gekommen, so scheint es.


Nacht am Canal Grande, Blick zur Rialto-Brücke

Venedig, so schrieb Alberto Sordi, sei die zweite Enttäuschung der Braut auf der Hochzeitsreise. Ob das stimmt? Wir haben uns in Venedig verlobt und sind auf der Hochzeitsreise lieber nach Umbrien gefahren. An Venedig haben wir uns jedenfalls sehr gern erinnert.

Wir sind ja auch nicht beklaut worden.

Bilder aus Venedig auf flickr

Venedig

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