Der Ohnsporn ist ein klassischer Vertreter der mediterranen Flora. Er kommt hauptsächlich in den trocken-heißen Garigues, Macchien und in der Phrygana rund um das Mittelmeer vor und streift in Nordafrika die Ränder der Sahara. Im atlantisch getönten Westeuropa dringt er nordwärts vor.
Dass sich diese Art irgendwann in der Rhön blicken lässt, hätten die alten Botaniker wohl kaum für möglich gehalten. Sie ist offenbar erst in jüngster Zeit in unser Gebiet eingewandert, und die ersten Funde datieren aus den späten 1960er Jahren. Damals bildeten die Rhöner Vorkommen die absolute Nordostgrenze des Verbreitungsareals dieser Art, inzwischen ist sie bereits bis nach Südniedersachsen und Sachsen-Anhalt vorgedrungen.
Der Ohnsporn
Seit den ersten Nachweisen sind im Bereich der Rhön weitere Funde über das gesamte Gebiet hinweg geglückt, und zwar auch in den etwas kühleren Gegenden der Kuppenrhön und am Rande der Hohen Rhön. Dabei ist der Ohnsporn an fast allen der inzwischen bekannt gewordenen Fundorte bis heute aktuell bestätigt. Allerdings tritt er bislang eher in geringen Populationsstärken auf.
Ohnsporn in der Kuppenrhön, 23.05.2008
Wie viele andere Orchideenarten der Halbtrockenrasen ist auch der Ohnsporn verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt. Dazu gehören die Verbrachung und Verbuschung der Wuchsorte, die zu starke oder falsch terminierte Beweidung, aber auch der »Orchideentourismus« und das gezielte Nachstellen durch den Menschen. So wurde das relativ bekannte Vorkommen in der thüringischen Rhön, seinerzeit das einzige in der ehemaligen DDR, bereits mehrfach geplündert. Dabei wurden auch einige Exemplare der hier vorkommenden Orchis × spuria geraubt, der sehr attraktiven und farbenprächtigen Hybride mit dem Helm-Knabenkraut.
Ein Vorkommen in der Fuldaer Kuppenrhön ist trotz guter Biotoppflege durch periodische Schafbeweidung akut durch die starke Ausbreitung der Esparsette bedroht. Aufgrund einer Wurzelsymbiose mit stickstofffixierenden Bakterien reichert diese Pflanze den Boden mit Nitraten an, die der stickstoffempfindlichen Orchidee schaden. Die merkwürdige und skurrile Gestalt der spornlosen Blüte führte zu kuriosen Namen. So bedeutet der bislang gebräuchliche Name Aceras anthropophorum wörtlich übersetzt »Menschentragendes Ohnhorn«. Weitere Trivialnamen sind Fratzenorchis, Puppenorchis oder Hängender Mensch, was wiederum dem französischen »Homme pendu« entspricht. Auch in Spanien nimmt man kein Blatt vor den Mund und spricht gar vom »Hombre ahorcado«, dem Gehenkten Mann! Nur die Italiener sehen es gelassen – sie nennen die Orchidee schlicht »Ballerina«.
Nomenklatur
Wissenschaftlicher Name:
Orchis anthropophora (L.) All. 1785
Gebräuchliche Synonyme:
Aceras anthropophorum (L.) W.T.Aiton 1814
Deutsche Namen:
Ohnsporn, Puppenorchis, Fratzenorchis, Hängender Mensch, Ohnhorn, Menschentragendes Ohnhorn
Ohnsporn in Mainfranken, 04.05.2014
Kurzbeschreibung
Kräftige, aber schlanke Pflanze, Wuchshöhe 15-40 cm. Runde Knolle, jährlich eine Tochterknolle bildend, zur Blütezeit daher mit zwei Knollen. 4 bis 9 glänzende, lebhaft grüne, länglich-lanzettlich geformte Laubblätter, untere rosettig genähert, obere stängelumfassend. Schlanker Blütenstand, bis über 100-blütig. Blütengröße 12-14 mm. Sepalen eiförmig, rot gerandet, mit den lanzettlichen Petalen einen halbkugeligen Helm bildend. Lippe spornlos, hängend, grünlich-ockergelb bis bräunlich-orangerot, dreilappig mit nochmals geteiltem Mittellappen. Am Lippengrund zwei typische Schwielen. Klebescheiben der Pollinien verschmolzen. Bestäubung durch Käfer, hauptsächlich Cidnopus pilosus.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: (Anfang-) Mitte Mai bis Mitte Juni.
Vorkommen und Standort
In der Rhön sehr selten, jedoch in Ausbreitung. In wärmebegünstigten Lagen.
Standorte: Sonnige Hügel, kurzgrasige Halbtrockenrasen, auf trockenen bis mäßig frischen Böden, kalkstet, sehr thermophil.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. ca. 200 m bis 500 m.
Gesamtverbreitung: Mediterranëis, nordwestlich bis England und Deutschland vordringend.
Hybriden
In der Rhön kommt die Hybride mit dem Helm-Knabenkraut vor, Orchis × spuria.
Die farbenprächtige Hybride des Ohnsporns mit dem Helm-Knabenkraut in der Kuppenrhön, 23.05.2008
Mehr zu dieser Art
» flickr.com | Orchis anthropophora – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Ohnhorn
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