Dingel in der Rhön? Etwas ungläubig las ich einen Brief mit der Fundmeldung. Aber das Foto war völlig eindeutig. Seit ein paar Jahren sind drei Pflanzen an zwei Standorten an der Fränkischen Saale beobachtet worden. Während der Trend auf Verbreitungskarten noch nicht abgebildet ist, sprechen die versprengten Einzelfunde in Baden-Württemberg, Südbayern, ja sogar in Thüringen, eine deutliche Sprache: Auch diese mediterrane Art ist bei uns auf der Suche nach neuen Ufern.
Bis vor wenigen Jahrzehnten galt der Dingel in Deutschland nur in Südbaden und an der Mosel als heimisch. Aber auch in historischer Zeit gab es Fundmeldungen außerhalb dieser Gebiete – die sich leider bis auf wenige Ausnahmen nicht verifizieren ließen.
Der Dingel
Die blattlose, bläulich-violette Pflanze ist einzigartig unter den heimischen Orchideen und kaum zu verwechseln. Wie auch die anderen blattlosen Orchideen kann auch der Dingel zwar Photoynthese in geringem Umfang betreiben, ist jedoch auf die Versorgung durch Mykorrhizapilze angewiesen. In seinem Hauptverbreitungsgebiet, dem Mittelmeerraum, ist er eine Charakterpflanze der Flaumeichenwälder. In manchen Regionen wie beispielsweise in der collinen Zone des Gardaseegebietes oder in der Provence ist er sehr häufig anzutreffen. Nördlich der Alpen ist er überall sehr selten.
Blüte des Dingels, Provence / Südfrankreich, 17.05.2004
Nomenklatur
Wissenschaftlicher Name:
Limodorum abortivum (L.)
Deutsche Namen:
Dingel, Violetter Dingel, Dingelorchis
Kurzbeschreibung
Kräftige, meist straff aufrecht wachsende Pflanze. Wuchshöhe 20-60 cm. Kurzes, fleischiges, bewurzeltes Rhizom. Blätter schuppenartig verkümmert. Blütenstand locker, 5- bis 20-blütig. Tragblätter länger als der Fruchtknoten, Blütenstiel kurz und gedreht. Blüten in manchen Jahren gar nicht öffnend, sonst wenig bis weit offen, Blütengröße etwa 20-30 mm. Seitliche Sepalen länglich, weit abgespreizt, mittleres Sepal über dem Säulchen stehend. Petalen schmal-lanzettlich, gespreizt. Lippe waagrecht oder aufgerichtet, etwas eingschnürt, Epichil am Rand gewellt, zum Rand hin kräftig gefärbt. Bestäubung durch Bienen, auch Selbstbestäubung möglich, daher hoher Fruchtansatz.
Blütezeit in der Rhön: Juni.
Dingel am Gardasee, Italien, 14.05.2015
Vorkommen und Standort
In der Rhön äußerst selten, aktuell nur sehr wenige Pflanzen an zwei Standorten.
Standorte: Lichte Eichen- und Kiefernwälder, wärmebegünstigte Säume.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 200 m bis 300 m.
Gesamtverbreitung: hauptsächlich im Mittelmeerraum, nordwärts bis Belgien und Deutschland, ostwärts bis zum Kaukasus und Iran.
Mehr zu dieser Art
» flickr.com | Limodorum abortivum – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Violetter Dingel
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