Die wild wachsenden Orchideen sind besonders beliebte Fotoobjekte, sowohl bei Anfängern als auch bei Profis. Wie kaum eine andere Pflanzenfamilie regen sie Fotografen an, in die Natur zu gehen und auf Fotopirsch zu gehen. Schon früh nahm mich mein Vater mit in die Rhön, wenn er auf der Suche nach den Kostbarkeiten der Natur war. Bereits als kleiner Junge durfte ich durch den Kamerasucher schauen und abdrücken. Im Laufe der Jahre kamen dann viele Kenntnisse, Daten und Fotos hinzu, und das Puzzle der Orchideenvorkommen begann sich zu einem Gesamtbild zu formen.
Die Faszination ist geblieben, denn immer wieder hält die Rhön Überraschungen und Glücksmomente bereit. Einmal gingen wir zeitig im Frühling an einem Trockenhang entlang, nichts ungewöhnliches war zu finden – bis wir am Rand einer Buschgruppe eine große Blattrosette ausmachten. Zur Blütezeit bestätigte sich unsere Vermutung, wir hatten die Bocks-Riemenzunge gefunden: zum ersten Mal in der Hessischen Rhön. Das war ganz und gar überraschend in dieser rauen Gegend. Weil ein Begleiter nicht dichthielt, verbreitete sich die Fundmeldung wie ein Lauffeuer. Aber kann man es den Naturfreunden verübeln, wenn sie eine besondere Pflanze mit eigenen Augen sehen wollen?
Die Dokumentation und Publikation der heimischen Flora ist ein wichtiger Aspekt der Naturschutzarbeit. Dazu trägt auch das Fotografieren bei, denn mit den Bildern kann man Freude an der Natur und Verständnis für Belange des Artenschutzes wecken. Zur Fotografie wildwachsender Orchideen gehört selbstverständlich die Rücksichtnahme und das vorsichtige, schonende Verhalten an sensiblen Standorten.
Orchideen in ihrer besonderen Schönheit abzulichten bedeutet für mich gewissermaßen, sie zu portraitieren. Dabei ist mir eine unaufdringliche Bildgestaltung wichtig, denn in erster Linie soll die Pflanze ihre Wirkung im Bild entfalten. Ob dabei auch eine ästhetisch ansprechende Aufnahme möglich ist, hängt von vielen Faktoren ab, die am Standort genaue Abwägung verlangen. Gerade die selteneren Arten kommen nur in kleinen Bestandszahlen vor, die Auswahlmöglichkeiten unter den einzelnen Pflanzen sind also oftmals gering. Wenn dann die Orchideen aufgrund von Witterungseinflüssen nicht so schön geraten sind, das Licht nicht stimmt oder der Wind weht, dann muss ich unverrichteter Dinge oder mit ein paar Dokumentarbildern wieder abziehen. Wenn aber die äußeren Bedingungen vorteilhaft sind, dann ist einiges an Vorarbeit zu erledigen. Blickwinkel und Belichtung sind zu prüfen, der richtige Bildschnitt und der Hintergrund. Stativ und Fernauslöser sind meist unverzichtbar, um auch morgens oder abends bei längeren Belichtungszeiten die erforderliche Schärfentiefe hinzubekommen. Eventuell kann auch ein Reflektor gute Dienste zur Ausleuchtung leisten. Dabei gilt es generell, den Standort zu schonen und nicht eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen.
Beim Fotografieren der einzelnen Arten an ihrem Naturstandort versuche ich, möglichst auch das Umfeld ins Bild mit einzubeziehen und einen Eindruck von der Pflanze in ihrem Lebensraum zu vermitteln. Das geht bei manchen Arten recht einfach, wie etwa beim Frauenschuh, der prachtvoll in den lichtdurchfluteten Kiefernwäldern wächst, bei manchen ist es jedoch fast unmöglich. Anfang Mai waren wir in den Rhöner Orchideen-Buchenwäldern der Korallenwurz auf der Spur. Schon oft hatte ich mich an einem Habitusfoto der Koallenwurz versucht, aber noch kein brauchbares Ergebnis zustande gebracht.
Unter Umständen ist bereits das Auffinden dieser Orchidee schwierig, da die Anzahl blühender Exemplare von Jahr zu Jahr stark schwankt. Die Korallenwurz wächst bei uns meist recht vereinzelt, ein einzelner kleiner Stängel im Wald wirkt auf dem Foto jedoch nicht gerade attraktiv. Auch die Topographie der Standorte ist eher unspannend, es sind überwiegend flach geneigte Hänge ohne besonderes Relief. Die Pflanzen stehen sehr schattig und werden nur selten von einem Sonnenstrahl getroffen, überdies wird der Waldboden durch einfallendes Sonnenlicht oft sehr fleckig, so dass die ohnehin unscheinbare Pflanze mit dem Hintergrund verschwimmt.
Nun wanderten wir einen steilen Bergkamm im frühlingshaften Buchenhochwald aufwärts, und da stand ein Grüppchen der Korallenwurz im schönsten Sonnenlicht vor uns, alle Bedingungen schienen optimal zu sein. Nun mussten wir nur schnell sein, denn innerhalb kurzer Zeit waren die Pflanzen wieder im Schatten. Doch diesmal klappte es: Glück gehabt!
Karl
Für allzu eifrige Pflanzenfotografen könnte man hinzufügen: »und noch nicht an jedem Standort, und nicht in jedem Jahr.« Das ist freilich nicht Sinn der Sache und schafft unnötige ökologische Belastungen. Dennoch – wenn ich ein makellos weißblütiges Purpurknabenkraut, einen prallen Blütenball des Dreizähnigen Knabenkrautes oder eine fröhliche Familie des Brandknabenkrautes vor mir habe, dann ist es egal, wie viele Bilder schon im Archiv stehen – ich fotografiere.
Dieser Text ist eine gekürzte und etwas überarbeitete Fassung des Artikels
»Orchideenfotografie in der Rhön«,
erschienen im Magazin NaturFoto, Ausgabe 6/2007, Tecklenborg Verlag.
Ein paar Praxistipps für die Orchideenfotografie
Bei allem Enthusiasmus für die Naturfotografie: der Schutz und die Erhaltung der Natur hat immer Priorität. Zuerst ist zu prüfen, ob das Aufsuchen eines Standortes und die mit dem Fotografieren verbundenen Beeinträchtigungen überhaupt erlaubt und auch zumutbar sind. Leider führt das allzu begeisterte Werk der Fotografen oftmals zu beträchtlichen Schäden der Lebensräume. Um fotogene Pflanzen herum sind man manchmal plattgewalzte Vegetation und ausgerissene Pflanzenteile zu beobachten. Diese fehlgeleitete Begeisterung sollte jeder verantwortungsbewußte Naturfreund unterbinden können. Nicht jede Pflanze muss an jedem Standort fotografiert werden.
Um eine Pflanze in ihrem Umfeld abzubilden, kann man mit einem Weitwinkelobjektiv, das dennoch eine geringe Distanz zum Hauptmotiv erlaubt, gute Ergebnisse erzielen. So stellt man die Pflanze in den Vordergrund, hat aber trotzdem viel Umgebung und Hintergrund im Bild.
Für Habitusaufnahmen eignet sich bereits das Makroobjektiv. Eine geringe Schärfentiefe lässt den Hintergrund verschwimmen und die Pflanze gut hervortreten. Für Detailaufnahmen von Blüten kann eine Nahlinse helfen, feine Strukturen hervorzuheben. Hier ist jedoch eine optimale Schärfentiefe unabdingbar, was entweder zu langen Belichtungszeiten führt (dies ist bei Windstille nur mit einem Stativ zu leisten) oder aber den Einsatz eines oder mehrere Blitzgeräte erfordert. Bei Nahaufnahmen kann auch ein kamerainterner Blitz gute Ergebnisse bringen.
Ein Reflektor sorgt für indirektes, weicheres Blitzlicht. Will man einen dunklen Hintergrund vermeiden, kann man mit einem zweiten externen Blitz (die TTL-Funktion steuert die Belichtung) den Hintergrund aufhellen, ohne ihn aber direkt anzuleuchten.
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