Blasses Knabenkraut Orchis pallens Orchideen in der Rhön und Mainfranken

Frühling im oberen Werratal: träge schlängelt sich der Fluss durch saftig grüne Talwiesen, vorbei an Dörfern mit stämmigen protestantischen Sandsteinkirchen und vorbei an bewaldeten Muschelkalkbergen, deren steile Hänge in allen möglichen Grüntönen prangen. Diese Gegend ist das Reich des Blassen Knabenkrautes. In der Rhön kommt es nur hier, am östlichen Gebietsrand, vor.

Mitte bis Ende April weht das erste Buchengrün durch die noch metallisch-grauen Stangenwälder. Um diese Zeit kommt das Blasse Knabenkraut auf Plateaulagen der Meininger Muschelkalktafel als erste Orchidee im Jahresreigen zur Blüte. Hier siedelt es in lichten Niederwäldern sommerwarmer und wintermilder Lagen zwischen Veilchen, Buschwindröschen und Schlüsselblumen.

Das Blasse Knabenkraut

Als eine der anspruchsvollsten heimischen Orchideen ist es aber nicht nur auf ein bestimmtes Klima im Regenschatten der Rhön angewiesen, sondern auch auf besondere Formen der Waldbewirtschaftung. Das Blasse Knabenkraut erreicht in der Mitte Deutschlands die Nordgrenze seiner Verbreitung. In Thüringen und Nordhessen existieren mehrere fragmentierte Verbreitungsinseln, die vom oberen Werratal bis in die östliche Vorderrhön ausstrahlen.


Blasses Knabenkraut in Mittelfranken, 27.04.2015

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden die Eichenmischwälder auf der Meininger Muschelkalktafel noch als Niederwälder genutzt, also intensiv und in kurzen Intervallen. Je nach Art und Häufigkeit des Holzeinschlags entstanden differenzierte Pflanzengesellschaften mit artenreicher Krautschicht. Hier konnte sich das lichthungrige Blasse Knabenkraut entfalten und bei Verschlechterungen der Standortbedingungen immer wieder auf Waldbereiche mit optimalem Lichteinfall ausweichen.

Bereits zu DDR-Zeiten setzte ein Rückgang der Vorkommen ein, verursacht insbesondere durch die Veränderungen der Waldbau­methoden und die darauf folgende Ausdunklung der Wuchsorte sowie durch die immer häufiger werdenden Wildschweine, die den schmackhaften Knollen insbesondere dieser Art nachstellen. Als Reaktion auf die Bestandsrückgänge wurden Pflegekonzepte für die Standorte entwickelt und umgesetzt.


Blasses Knabenkraut in Mittelfranken, 27.04.2015

Dazu mussten die Standorte vom ständigen Gehölzaufwuchs befreit und zum Schutz vor knollensuchendem Wild gegattert werden. Mitte der 1990er Jahre präsentierten sich die Wuchsorte in optimalem Zustand mit vitalen Beständen. Doch wie so oft hängt die Pflege am Engagement von Einzelpersonen; denn seither sind infolge zu langer Pflegeintervalle die Bestände zusammengebrochen. Die Waldwiesen verfilzten, dichtes Gestrüpp gewann rasch die Oberhand. So fristen an den einst so eindrucksvollen Standorten heute nur noch wenige Blasse Knabenkräuter ihr Dasein. Dadurch ist die ohnehin seltene und gefährdete Art in der Rhön inzwischen akut vom Aussterben bedroht. Glücklicherweise wurden jüngst wieder Pflegemaßnahmen durchgeführt, doch der Erhalt des Blassen Knabenkrautes in der Rhön wird von beständiger, aufwändiger Pflege und Gatterung abhängig bleiben.

Nomenklatur

Wissenschaftlicher Name:
Orchis pallens L. 1771

Gebräuchliche Synonyme:
Androrchis pallens (L.) D.Tyteca & E.Klein 2008

Deutsche Namen:
Blasses, Bleiches oder Gelbes Knabenkraut

Kurzbeschreibung

Kräftige Pflanze, Wuchshöhe 15-30 cm. Runde Knolle, jährlich eine Tochterknolle bildend, zur Blütezeit daher mit zwei Knollen. 4 bis 6 rosettig angeordnete Grundblätter, elliptisch-eiförmig, hellgrün, glänzend. 1 bis 2 scheidige Stängelblätter. Blütenähre eiförmig bis zylindrisch, bis 30-blütig. Tragblatt etwa so lang wie die Fruchtknoten. Blütengröße 12-15 mm. Blüten hellgelb, ungezeichnet, stark nach Holunder duftend. Seitliche Sepalen zurückgeschlagen, mittleres Sepal und Petalen über das Säulchen gewölbt. Lippe rundlich, dreilappig. Seitenlappen zurück geschlagen, Mittellappen leicht zweigeteilt. Sporn aufwärts gerichtet, nektarlos. Bestäubung durch Bienen, insbesondere Hummeln.
Blütezeit in der Rhön und in Mainfranken: Mitte April bis Anfang Mai.


Die Hybride des Blassen Knabenkrautes mit dem weiß blühenden Manns-Knabenkraut; Meiningen, Rhön, 28.04.2000

Vorkommen und Standort

In der Rhön auf die östlichen Kalkgebiete beschränkt, sehr stark zurückgegangen.
Standorte: Lichte Laub- und Mischwälder, grasige Lichtungen, Säume, Gebüsch. Auf frischen Böden, kalkliebend, vor allem in mittleren Berglagen.
Höhenverbreitung in der Rhön: ca. 400 m bis 600 m.
Gesamtverbreitung: Europäische Gebirge, von Spanien bis Kleinasien und Anatolien. Nördlich bis an den Nordrand der deutschen Mittelgebirge.

Hybriden

In der Meininger Gegend wurde die Hybride mit dem Manns-Knabenkraut, Orchis × loreziana oder haussknechtii, an mehreren Stellen nachgewiesen, auch in weiß (nf. alboflavida). Bei den angeblichen Hybriden mit der Grünlichen Waldhyazinthe, × Orchiplatanthera andreasii, handelte es sich jedoch um atypische Exemplare des Blassen Knabenkrautes.

Mehr zu dieser Art

» flickr.com | Orchis pallens – alle Fotos von M. Klüber
» de.wikipedia.org | Blasses Knabenkraut
» AHO-Bayern e.V. | Orchis pallens

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