Orchideenhybriden Orchideen in der Rhön und Mainfranken

Manche Naturfreunde können gar nicht genug von Orchideenhybriden bekommen. So verwundert es nicht, dass vielerorts – leider auch in der Rhön – offensichtlich künstliche Hybriden heimischer oder gar mediterraner Orchideen angesalbt wurden. Trotz dieses faden Beigeschmacks sind natürlich vorkommende Hybriden eine nährere Betrachtung wert, denn in der Evolution der Orchideen kommt der Hybridisierung eine große Bedeutung zu.

Etablierte Hybridsippen können eine eigene Entwicklung einschlagen und sich zu selbständigen Arten entwickeln. So gilt das Breitblättrige Knabenkraut als hybridogene Art, die sich gegen­über ihren Eltern neue ökologische Nischen erschließen konnte. Manche Orchideenarten haben aufgrund ihres jungen evolutionären Alters noch kaum Barrieren gegen die Hybridisierung aufbauen können. Für eine erfolgreiche Kreuzbestäubung müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein: Die beiden beteiligten Pflanzen müssen genetisch kompatibel sein, sie dürfen weder geographisch noch ökologisch noch phänologisch isoliert sein. Und auch das Bestäubungsinsekt muss an beide Arten angepasst sein. Nach einer erfolgreichen Kreuzbestäubung ist die gesunde Entwicklung der Hybridpflanze noch längst nicht gewährleistet. Wenn jedoch alle Hindernisse überwunden sind, kann die Pflanze zur Blüte kommen oder sogar fertil sein.

Aufgrund des Heterosis-Effektes sind Hybridpflanzen gelegentlich viel kräftiger als ihre Eltern. So überragt Orchis × spuria ihre Eltern Ohnsporn und Helm-Knabenkraut meist bei weitem. Auch bei Orchis × hybrida ist dies oft der Fall. Hier verdrängen die Hybriden stellenweise sogar ihre Elternarten. Dies führt gelegentlich dazu, dass am Standort nur noch die Hybridsippe vorkommt, aber nicht mehr die Elternarten.

Bisher in der Rhön nachgewiesene Naturhybriden:

Cephalanthera × schulzei E.G. Camus, Bergon & A. Camus 1908
Cephalanthera damasonium × Cephalanthera longifolia
Weißes Waldvögelein × Schmalblättriges Waldvögelein
selten, beispielsweise in der Thüringischen Rhön (Quelle: Horst Kümpel, Die wildwachsenden Orchideen der Rhön, 1996) und im Bergwinkel (M. Raschka, schriftlich, 2008) nachgewiesen.

× Dactylodenia gracilis A. Camus
× Dactylodenia st-quintinii Godfery 1933
Dactylorhiza fuchsii × Gymnadenia conopsea
Fuchs‘ Knabenkraut × Mücken-Händelwurz
Sehr selten in der Thüringischen Rhön nachgewiesen. Beschreibung und Quelle: Horst Kümpel, Die wildwachsenden Orchideen der Rhön, 1996

Dactylorhiza × aschersoniana (Hausskn.) Borsos & Soó 1960
Dactylorhiza incarnata × Dactylorhiza majalis
Fleischfarbenes Knabenkraut × Breitblättriges Knabenkraut
Sehr selten, nur am südlichen Gebietsrand nachgewiesen (Malkmus 1994, 2006).

Dactylorhiza × braunii Halacsy 1881
Dactylorhiza fuchsii × Dactylorhiza majalis
Fuchs‘ Knabenkraut × Breitblättriges Knabenkraut
Eine der häufigeren Naturhybriden in der Rhön. Zerstreut an gemeinsamen Wuchsorten der Art, vor allem in Hangmooren der zentralen und östlichen Rhön.

Epipactis × schmalhausenii K. Richter 1890
Epipactis atrorubens × Epipactis helleborine
Braunrote Stendelwurz × Breitblättrige Stendelwurz
Sehr selten, bisher nur in der Thüringischen Rhön nachgewiesen. Beschreibung und Quelle: Horst Kümpel, Die wildwachsenden Orchideen der Rhön, 1996

Epipactis × reinekei Bayer 1986
Epipactis helleborine × Epipactis muelleri
Breitblättrige Stendelwurz × Müllers Stendelwurz
Sehr selten, bisher bei Fulda (Helmer, Klüber 1998) sowie in der Thüringischen Rhön nachgewiesen (Quelle: Horst Kümpel, Die wildwachsenden Orchideen der Rhön, 1996)

Ophrys × apicula J. C. Schmidt 1851
Ophrys araneola × Ophrys insectifera
Kleine Spinnenragwurz × Fliegen-Ragwurz
Sehr selten, bisher an zwei Fundorten im Bereich des Saaletals nachgewiesen. Zumindest an einem der Fundorte höchstwahrscheinlich anthropogen.

Orchis × loreziana Bruegger 1874
Orchis × haussknechtii M. Schulze 1885
Orchis mascula × Orchis pallens
Manns-Knabenkraut × Blasses Knabenkraut
Sehr selten an einigen Orchis-pallens-Fundorten bei Meiningen. Zeitweise war dort eine Hybride von Orchis pallens mit der weiß blühenden Orchis mascula zu sehen: von Kümpel als Orchis × haussknechtii nf. alboflavida beschrieben.

Orchis × hybrida Boenningh. 1830
Orchis militaris × Orchis purpurea
Helm-Knabenkraut × Purpur-Knabenkraut
Selten am östlichen und südlichen Gebietsrand, jedoch konstant und mitunter zahlreich auftretend.

Orchis × spuria Rchb. f. 1849
Orchis anthropophora × Orchis militaris
Ohnsporn × Helm-Knabenkraut
Sehr selten, an zwei Fundorten in der thüringischen Rhön sowie temporär an der Fränkischen Saale nachgewiesen, zumindest am letzteren Standort höchstwahrscheinlich anthropogen.

Platanthera × hybrida Brügger 1882
Platanthera bifolia × Platanthera chlorantha
Weiße Waldhyazinthe × Grünliche Waldhyazinthe
Sehr selten an gemeinsamen Fundorten nachgewiesen, wird sicherlich hin und wieder übersehen.

Weitere Hybriden

Weitere Hybriden wurden nachgewiesen, die höchstwahrscheinlich anthropogenen Ursprungs sind:

Ophrys × pietzschii Kümpel 1971 (invalid)
Ophrys apifera × Ophrys insectifera
Bienen-Ragwurz × Fliegen-Ragwurz

Ophrys × jeanpertii E. G. Camus 1891
Ophrys × neoschulzei A. Camus 1929
Ophrys araneola × Ophrys sphegodes
Kleine Spinnenragwurz × Große Spinnen-Ragwurz

Ophrys × devenensis Rchb. f. 1851
Ophrys × apiculata Rchb. f. 1851
Ophrys fuciflora × Ophrys insectifera
Hummel-Ragwurz × Fliegen-Ragwurz

Ophrys × obscura G. Beck 1879
Ophrys × aschersonii De Nanteuil 1887
Ophrys fuciflora × Ophrys sphegodes
Hummel-Ragwurz × Spinnen-Ragwurz

Ophrys × hybrida Pokorny 1851
Ophrys × reichenbachiana Schulze 1889
Ophrys insectifera × Ophrys sphegodes
Fliegen-Ragwurz × Spinnen-Ragwurz

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