Reisen mit Kind – eine ganz neue Erfahrung. Deshalb ging es nicht allzu weit weg von daheim: nach Südtirol, ins Trentino, an den Gardasee, nach Mantua und in die südlichen Dolomiten. Zweieinhalb erlebnisreiche Wochen, die auch unser kleiner Sohn sehr genossen hat. Berge, Seen und Strände, Wiesen, Felsen und Wasserfälle, Blumen und Tiere, schöne Städte, eine gute Küche und gastfreundliche Menschen. Das Trentino ist wirklich ideal für eine Familienreise.
Wir starten früh in den Tag und machen am Fernpass die erste Pause. Rasch sind wir über den Brenner in Südtirol angelangt. Bei Klausen verlassen wir die Autobahn und steuern bergauf, in Richtung Dolomiten.
Endlich Berge!
- 1 Endlich Berge!
- 2 Das Südtiroler Unterland
- 3 Valle dei Laghi
- 4 Arco und der nördliche Gardasee
- 5 In die Brenta
- 6 Von Pregasina zur Punta Larici
- 7 Varone und Colodri
- 8 Tremalzo
- 9 südlicher Gardasee
- 10 Valeggio sul Mincio
- 11 Sirmione
- 12 Orchideen am Fuß des Monte Baldo
- 13 Mantua
- 14 Dolomiten: Primiero und Pala
- 15 Rund um die Marmolada
- 16 Val Canali und Val Pradidali
- 17 Fotos der Reise auf flickr
Über den düsteren Tannenwipfeln des Villnösser Tales thronen die beiden Hauptipfel der Geislerspitzen: der massige Sass Rigais [Bericht] und die schlanke Furchetta, beide 3025 m hoch, ein majestätischer Anblick.
Endlich Berge – das wurde auch mal wieder Zeit. Zum ersten Mal sind wir unterwegs mit unserem kleinen Passagier, dem die ungewohnte Umgebung offensichtlich gut gefällt. Wir legen eine Pause am Fuß der Geislerspitzen ein. Die Gipfel erstrahlen im Weiß des frischen Neuschnees, davor steht die barocke Kapelle St. Johann in Ranui im saftigen Frühlingsgrün der Wiesen. Noch ist das Wetter etwas kühl und wolkig, aber für die kommenden Tage ist Besserung angesagt.
St. Johann in Ranui mit den Geislerspitzen dahinter
Das Südtiroler Unterland
Die Fahrt geht weiter nach Auer, unseren ersten Übernachtungsort. Von hier aus erkunden wir den sagenumwobenen Hügel von Castelfeder: eine erratische Landschaft im Etschtal, eine Porphyrscholle mit trocken-heißer Vegetation. Die markante, exponierte Lage bedingt auch die Bedeutung des Hügels als geschichtsträchtige Stätte im Unterland. Hier fanden politische Kundgebungen während der Südtiroler Autonomiekämpfe nach dem Zweiten Weltkrieg statt.
Castelfeder ist uraltes Siedlungsland: unter frühmittelalterlichen, byzantinischen, langobardischen und antiken Ruinen befinden sich die Spuren einer vorgeschichtlichen Großsiedlung. Die verschiedenen Völker haben ihre Spuren hinterlassen, und auch ihre Traditionen sind bis heute präsent. So gibt es beispielsweise eine Fruchtbarkeitsrutsche aus heidnischer Zeit in den Felsen.
Der Bergrücken von Castelfeder ist eine zerklüftete Landschaft mit Schluchten, Plateaus, Wiesengründen, kleinen Seen und Hainen. Auf der Kuppe stehen die Ruinen einer mittelalterlichen Burg und einer romanischen Kirche. Kein Wunder, dass dieser Ort umwittert von Sagen und Legenden ist: Die Erzählungen umfassen das ganze Repertoire volkstümlicher Schauermärchen mit Feuererscheinungen, Gespenstern, goldenen Kegelspielen, Zauberern, eingekerkerten Jungfern, und von der Wilden Jagd.
Castelfeder mit Blick ins Etschtal
Ganz in der Nähe dieses verwunschen Ortes liegt das kleine Weinörtchen Pinzon mit der gotischen Stephanskirche, die einen eindrucksvollen Flügelaltar von Hans Klocker aus dem späten 15. Jahrhundert birgt.
Flügelaltar von Hans Klocker in Pinzon
Die Weiterfahrt ins Trentino steht auf dem Programm. Doch zunächst bleiben wir noch etwas im Südtiroler Unterland. Zunächst geht es nach Tramin, das inmitten ausgedehnter Weinberge vor der Kulisse des Mendelkammes liegt. Vom Wohlstand des Weinortes kündet der schöne spätgotische Kirchturm. Eigentlich wollten wir uns noch die frühmittelalterlichen Fresken im Kirchlein von Kastellaz ansehen, doch der Aufenthalt in Tramin fällt sehr kurz aus, da unser Kleiner gerade beschlossen hat, sein Schläfchen zu halten.
der spätgotische Kirchturm von Tramin
In Salurn beeindruckt uns die Ruine der Haderburg, die vor der Kulisse einer gewaltigen Felswand auf einem Felssporn steht. Die Engstelle des Etschtals bei Salurn, »Salurner Klause« genannt, ist gleichzeitig die Provinz- und Sprachgrenze, dahinter beginnt das Trentino.
Valle dei Laghi
Weiter durch das Etschtal bis kurz vor Trient und hinüber ins Valle dei Laghi. Dem Bergrücken des Monte Bondone statten wir einen Aussichtsbesuch ab. Hier darf unser nagelneuer Touran erstmals Höhenluft schnuppern. Der Blick geht hinüber zu den noch tief verschneiten Höhen der Brenta.
Vom Monte Bondone geht es durch herrliche Bergwälder hinab nach Castel Madruzzo und ins Valle dei Laghi. Zahlreiche Orchideen säumen den Straßenrand, darunter Dreizähniges Knabenkraut Neotinea tridentata, Kleines Knabenkraut Anacamptis morio und Spinnen-Ragwurz Ophrys sphegodes.
Auf einer Insel im Lago Toblino liegt das gleichnamige Schloss. Ein zinnenbewehrtes Tor gewährt Einlass. Im Castel Toblino befindet sich ein sehr gutes Restaurant mit gehobener regionaltypischer Küche. Unser Sohn wird fürstlich bewirtet und bekommt außer einer Suppe zur Begrüßung auch noch Gnocchi in Butter gereicht. Ein wunderbarer Ort, den wir bestimmt noch einmal aufsuchen werden.
Castel Toblino
Arco und der nördliche Gardasee
Von Toblino aus sind es nur noch wenige Kilometer an der Sarca hinab bis nach Arco, unserem Domizil für die nächste Woche. Wir beziehen das sehr schöne Appartement im B&B »Al Castello« am Rande der Altstadt, zu Füßen des Burgberges.
Den nächsten Tag verbringen wir in den Bergen um Arco. Der frühe Start in den Tag soll den erhofften Fund der Gardasee-Ragwurz Ophrys benacensis bringen. Da diese Orchideenart relativ früh blüht, versprechen höhere Lagen bessere Erfolgsaussichten. Die Suche führt in ein von Gebüsch durchsetztes Wiesengelände im Hochtal hinter Arco. Und tatsächlich, hier steht diese prächtige Orchidee noch in voller Blüte. Insgesamt etwa 60 Pflanzen sind hier zu finden, nebst zwei Hybriden: jener mit der Spinnen-Ragwurz Ophrys sphegodes und jener mit der Fliegen-Ragwurz Ophrys insectifera. Auch Kleines Knabenkraut Anacamptis morio und Dreizähniges Knabenkraut Neotinea tridentata kommen hier in schönen Beständen vor.
Hybride Gardasee-Ragwurz x Große Spinnen-Ragwurz
Am Mittag wandern wir zu den Gletschermühlen »Marmitte dei Giganti« bei Torbole. Mein kleiner Begleiter posiert in der Kraxe vor der überhängenden, vom Gletscherwasser ausgehöhlten Felswand. Anschließend suchen wir am Monte Brione nach Pflanzen und Tieren. Dieser sichelförmige Bergrücken ragt direkt am Nordufer des Gardasees und frei in der Ebene des Sarca-Tales auf. Trotz seiner geringen Höhe von nur 376 m wirkt er wie ein kleines Mini-Gebirge mit mehreren Gipfeln und einer steilen Felswand nach Nordosten hin.
In den Olivenhainen der Südwestseite beginnt nun die Blüte der Pyramiden-Orchidee Anacamptis pyramidalis, die hier wohl in fünfstelliger Bestandszahl wächst. Doch auch andere Orchideenarten sind hier zu finden, unter anderem abgeblühte Ragwurze und Affen-Knabenkräuter Orchis simia sowie der Dingel Limodorum abortivum.
Olivenhaine am Monte Brione
In der Frühe des nächsten Tages suche ich im Hochtal hinter Tenno nach Blassem Knabenkraut. Zwar finde ich die Population auf Anhieb, doch die Orchideen sind vollständig verblüht. Das war Mitte Mai ja auch so zu erwarten, dennoch hatte ich auf Nachzügler gehofft.
Den Nachmittag verbringen wir in Trient. Die alte Konzilsstadt an der Etsch bietet schöne Motive in engen Gassen. Der romanische Dom beeindruckt durch seine vielfältige Bauplastik, wie etwa die verknoteten Stützen an den Apsiden.
Romanische Bauplastik am Dom von Trient
Nächster Tag: vormittags schlendern wir durch Arco und besuchen den Markt. Das Städtchen am Fuß des Burgfelsens ist irgendwie anders, italienisch auf eine lockere Art: Während das benachbarte Riva eher zur mondänen Seniorenpromenade mutiert ist, herrscht in Arco jugendliches Flair und große Gelassenheit. Alles dreht sich um den Sport, insbesondere um das Radfahren, Laufen und Klettern.
Arco
In Arco findet der »Rock Master« am Monte Colodri statt, sozusagen die inoffizielle Weltmeisterschaft im Klettern. 2011 findet dann aber auch die offizielle WM hier statt. In Arco kann man Touristen und Einheimische nicht gleich auf den ersten Blick unterscheiden, was natürlich vor allem an den Einheimischen liegt. Aber das ist angenehm. Und in der Bar läuft Musik von Morrissey, das finde ich persönlich auch sehr angenehm.
In die Brenta
Nachmittags fahren wir in Richtung Brenta. Zunächst passieren wir die Marocche di Dro. Ungeheure Gesteinsmassen blockieren das Tal der Sarca auf einer Länge von etwa 8 km. Sie stammen von den Bergen Monte Brento (1544 m) und Monte Casale (1632 m), deren Felswände durch die Abbrüche entstanden sind. Dieses gewaltige Bergsturzgelände, bestehend aus etwa einer Milliarde Kubikmeter Gestein, entstand vermutlich nach der letzten Eiszeit. Nach dem Abschmelzen des Gletsches, der das Tal der Sarca füllte, brachen die Bergflanken ein. Auch wenn die Sarca inzwischen einen beträchtlichen Teil des Schuttes südwärts bis in den Gardasee verfrachtet hat, ist der Eindruck dennoch gewaltig. Den düsteren Gesamteindruck vermögen auch die südländischen Zypressen nicht aufzuhellen.
Marocche di Dro
Hinter den Marocche geht es hinauf ins Hochtal von Cavedine und weiter nordwestwärts an den Rand der Brenta-Berge. Auf der Fahrt nach Molveno taucht der Kirchturm von Tavodo vor den schneeweißen Dreitausendern der Brenta auf. Es könnte das klassische Brenta-Motiv sein, ist es aber nicht. Oberhalb des Lago di Molveno sind die östlichen Flanken der Berge zu sehen. Doch die markantesten Gipfel sind von hier aus noch nicht sichtbar.
Tavodo mit den Brenta-Bergen
Wir fahren südlich um die Brenta herum und durch die Judikarischen Täler aufwärts in Richtung Madonna di Campiglio. Hinter Pinzolo geht es steil bergan, und mit jedem Kilometer des Höherkommens wird das Gipfelpanorama der Brenta gewaltiger. Kurz vor Madonna di Campiglio ist die Aufstellung komplett: Cima Sella, Cima Brenta, die Sfulmini mit den berühmten Campanili (Guglia di Brenta), Cima Tosa und Crozzon di Brenta. Ein herrliches Bild, das den Wunsch des Wiederkommens weckt. Auf dem Rückweg besuchen wir noch zwei der mittelalterlichen Kirchen im Tal, an den Außenwänden geschmückt mit Fresken (16. Jahrhundert) der Malerfamilie Baschenis.
Brenta-Berge: die Sfulmini
Brenta-Berge: Panorama von Madonna di Campiglio aus
Von Pregasina zur Punta Larici
Eine Wanderung in der Frühe von Pregasina zur Punta Larici. Das kleine Dorf Pregasina liegt auf einer Hangterrasse hoch über dem Gardasee und ist über den Ledro-Tunnel und ein schmales Sträßchen erreichbar. Schon vom Parkpatz aus sind die rosaroten Blütenkugeln des Dreizähnigen Knabenkrautes Neotinea tridentata unterhalb der Kirchenmauer zu sehen. Schöne Exemplare stehen hier. Diese Orchidee ist wirklich häufig in der Gegend, vielleicht hätte sie besser tridentina als tridentata heissen sollen: Trientinisches Knabenkraut…
Dreizähniges Knabenkraut, Neotinea tridentata
Hinter dem Dorf führt der Weg durch die felsigen Hänge in Richtung Punta Larici. Am Wegesrand stehen ebenso schöne wie gebietstypische Pflanzen: Monte-Baldo-Segge Carex baldensis, Purpur-Zwergginster Chamaecytisus purpureus, und Walliser Levkoje Mattiola fruticulosa subsp. valesiaca.
Walliser Levkoje, Matthiola fruticulosa subsp. valesiaca
Der Weg erreicht einen Sattel, der Blick auf den südlichen Gardasee öffnet sich. Von hier aus sind es nur noch wenige Schritte zur Punta Larici, einem vorgelagerten Felskopf, der über 800 m steil zum See hin abbricht. Auch hier oben steht die Levkoje in schönen Beständen, und das schönste Grüppchen hat sich ganz vorne an der Abbruchkante platziert. Um es zu fotografieren, muss ich mich mit Bedacht bewegen. Und auch die Fotoausrüstung könnte man von hier aus ruck-zuck im See versenken.
Walliser Levkoje, Matthiola fruticulosa subsp. valesiaca, auf der Punta Larici, 800 m über dem Gardasee
Von der Punta Larici ist der See in seiner ganzen Ausdehnung gut einsehbar. Die tiefe Talfurche, von eiszeilichen Gletschern ausgehobelt, hat sich nach deren Abschmelzen mit Wasser gefüllt. Der Moränengürtel begrenzt ihn nach Süden hin. 346 m ist der See tief, also liegt der tiefste Punkt über 280 m unter dem Meeresspiegel. Kaum zu glauben, dass das Tal ursprünglich noch viel tiefer war, denn im See ist bereits viel alpiner Gesteinsschutt abgelagert.
Blick von der Punta Larici nordwärts auf den Gardasee
Gegenüber, am Ostufer, erstreckt sich der Bergkamm des Monte Baldo mit der 2218 m hohen Cima Valdritta, 2218 m als höchstem Punkt. Das Westufer ist steiler und felsiger, doch fehlen hier die hohen Gipfel. Der markant vorspringende Monte Cas erreicht gerade mal 779 m. Auf der Nordseite des Sees liegt der sichelförmige Monte Brione wie ein gestrandetes Boot am Ufer. Doch in ein paar Tausend Jahren wird auch er vom Schutt umlagert sein und ganz im Landesinneren liegen.
Nach diesem instruktiven geographisch-geologischen Erlebnis führt der Rückweg zur Malga Palaer, dann am Hang entlang und schließlich auf steinigen Pfaden steil hinab und zurück nach Pregasina.
Varone und Colodri
Nach einem geruhsamen Vormittag in Arco besuchen wir nachmittags einige Ziele in der näheren Umgebung. Zunächst geht es nochmal in das Hochtal hinter Arco, zu den Wiesen rund um Mandrea und San Giovanni. Neben einigen Orchideen blühen hier auch Alpen-Aster Aster alpinus, Filz-Flockenblume Centaurea triumfettii und Nizza-Kreuzblümchen Polygala nicaeensis.
Ausblick von den Monti di Arco auf den Gardasee
Oberhalb der Ortschaft Varone rauscht der Torrente Magnone, der Abfluss des Lago di Tenno, durch eine tiefe Schlucht. Ein kleiner Landschaftspark erschließt das Naturschauspiel und führt in einen geheimnisvollen, düsteren Mikrokosmos. Während draußen etwa 30°C herrschen, wird es am Eingang der Klamm empfindlich kühl. Im Nebel des Spritzwassers und im Getöse des Wasserfalls mache ich schnell einige Fotos. Meinem Kleinen Begleiter in der Kraxe macht das Spaß, meiner Kamera weniger.
Cascata di Varone
Gegend Abend wandern wir von Laghel aus auf einen der berühmtesten Kletterberge der Welt: den Monte Colordi. Nicht, dass er mit seiner Höhe glänzen könnte; er ist 400 m hoch und somit niedriger als der Standort meines Elternhauses. Aber Kletterern aus der ganzen Welt ist er ein Begriff, weil hier der Arco Rock Master stattfindet, früher an der senkrechten Ostwand des Berges, heute in einer Arena am Fuß der Wand. Wir wählen den zahmen, aber immer noch felsigen und steilen Westhang. Ganz Laghel ist zugeparkt, unser Auto kommt daher auf einem exzellenten Panorama-Parkplatz zu stehen, auf einer steilen Rampe im Olivenhain mit Blick auf die Burg von Arco. In kurzen Kehren geht es von der Kirche in Laghel hinauf durch submediterranen Trockenwald. Auf dem karstigen, etwas unübersichtlichen Gipfelplateau angekommen, muss man erstmal das Gipfelkreuz orten. Dann geht es noch ein paar Meter in leichter Kletterei hinauf.
auf dem Monte Colodri
Vom Kreuz reicht der Blick weit über die Ebene des unteren Sarca Tals: Im Vordergrund der Burgberg von Arco, dahinter der Monte Brione (376 m). Links des Sees der Monte Baldo (Cima Valdritta, 2218 m), und rechts die Rocchetta Giochello (1519 m) oberhalb Riva. Meinem Sohn macht die Aussicht auch viel Freude, er zwinkert in die Abendsonne. Besonderen Spaß hat er aber an meinem Gehüpfe über die Karstplatten beim Einfangen der schönsten Motive: auch ein Busch Diptam Dictamnus albus steht hier oben, etwas versteckt in einer Felsnische. Auf dem holprigen, serpentinenreichen Abstiegsweg kreischt mein kleiner Wanderbegleiter wieder vor Freude. Manche Kinder schlafen in der Kraxe, er nicht. Man könnte ja was verpassen!
Tremalzo
Diesmal geht die Fahrt durch das Valle di Ledro ins Ampola-Tal. Von hier aus ist auf einer Bergstraße der Monte Tremalzo erreichbar. Zwar gilt der Monte Baldo als »Hortus Italiae«, als Garten Italiens, und als bekannterer Blumenberg. Doch rein objektiv gesehen sind die Berge Judikariens noch artenreicher. Sie beherbergen auch eine stattliche Anzahl von Endemiten, also Pflanzen, die nur in einem kleinen Verbreitungsgebiet vorkommen. Zwei davon wachsen gleich nebeneinander am Straßenrand in einer Felswand: die Schopf-Teufelskralle Physoplexis comosa und das Blaue Mänderle Paederota bonarota. Leider blühen sie noch nicht, dafür sind wir etwas zu früh.
Mit dem Höherkommen ändern sich rasch Vegetation und jahreszeitlicher Fortschritt. Im Bergwald blühen in buntem Nebeneinander Schneerose Helleborus niger, Südliches Lungenkraut Pulmonaria australis, Vielblättrige Zahnwurz Cardamine kitaibelii und Hohe Schlüsselblume Primula elatior. Im Bereich der Baumgrenze sind riesige Bestände der Schneerosen zu sehen, und dazwischen blühen Weiße Krokusse Crocus albiflorus und Alpen-Soldanellen Soldanella alpina.
Schneerose, Helleborus niger
Der Tremalzo ist auch ein berühmter Orchideenberg, unter anderem wächst hier das sehr seltene Spitzels Knabenkraut Orchis spitzelii, doch es ist sehr bedroht, unter anderem durch den Bau neuer Lifte. Die Blütezeit dieser Art ist später, die Suche würde sich noch nicht lohnen.
Oben an der Berghütte sammeln sich Motorradfahrer und Mountainbiker. Die einen kommen die asphaltierte Straße von der Ledro-Seite herauf, die anderen die Schotterstraße von der Gardasee-Seite. Beide Straßenanlagen haben einen traurigen Entstehungshintergrund: den Gebirgskrieg 1915-1918. Heute weht hier oben glücklicherweise ein anderer, internationaler, friedlicher Wind. Ganz konkret weht ein eisiger Nordwind. Da unser Sohn dies schon am Parkplatz mit Unbehagen quittiert, verzichten wir auf die geplante Gipfelbesteigung und machen es uns in der Hütte bequem.
Blick vom Monte Tremalzo zur Adamello-Gruppe
Blick vom Monte Tremalzo zum Monte Baldo
Auf der Rückfahrt durch das Ledro-Tal nach Arco machen wir noch einen Umweg und jagen unser neues Auto noch einige weitere Serpentinen hoch und runter: von Nago-Torbole hinauf nach Ronzo-Chienis und über den Passo Santa Barbara 1000 Höhenmeter steil hinab nach Arco. An einer Straßenkehre entdecken wir herrliche Hybriden von Affen- und Helm-Knabenkraut: Orchis simia × Orchis militaris. Doch der Standort ist im Schatten, und das Licht ist schon zu schwach. Meiner Frau, die eine serpentinenfreie Kindheit in der norddeutschen Tiefebene verbracht hat, schwant bereits Böses: Ja, da müssen wir morgen unbedingt noch mal hin. Und somit auch noch einmal alle Serpentinen rauf und runter fahren…
Blick von Nago auf den Gardasee
Am nächsten Tag ist ein Quartierwechsel angesagt. Von Arco geht es nach Valeggio sul Mincio, wo wir in 2008 bereits einmal waren. Als erstes Ziel steht jedoch der Orchideenstandort des Vortages auf dem Programm. Von Arco fahren wir nach Nago. Der Straßenrand ist voll von Spornblumen Centranthus ruber und Diptam Dictamnus albus, aber leider mangels Haltebucht an der vielbefahrenen Straße kaum fotografierbar. Dann endlich mal eine Einfahrt mit herrlichem Blick über den See, aber auch mit steiler Felskante auf der anderen Straßenseite. Wer hier beim Fotografieren abschmiert, landet platt wie eine Flunder unten auf der Straße. Also gibt es nur ein paar Doku-Bilder mit dem Tele.
Oben auf der Orchideenwiese bei Ronzo-Chienis stehen einige Hybriden von Affen- und Helm-Knabenkraut zwischen den Elternarten. In dieser Höhenlage, auf knapp 1000 m, steht sogar das sehr früh blühende Affen-Knabenkraut noch schön da. Die Hybriden sind sehr intensiv dunkelpurpurn gefärbt und geben schöne Motive ab. Der Umweg hat sich gelohnt.
Affen-Knabenkraut, Orchis simia
Die Hybride von Affen- und Helm-Knabenkraut: Orchis simia × Orchis militaris = Orchis × beyrichii
Die Weiterfahrt geht nun wieder hinab ins Sarca-Tal, nach Riva und dann am Ostufer entlang in Richtung Süden.
südlicher Gardasee
Wir nehmen die westliche Gardesana für den Weg nach Valeggio. Während die Ostseite des Sees als »Olivenufer« gilt, bezeichnet man den Westen als »Limonenufer«. Die Route führt an den Orten Limone, Tremosine, Campione und Tignale vorbei nach Gargnano. Dieser Ort gruppiert sich um ein schönes Hafenbecken mit Piazza, der richtige Ort für eine längere Pause. Dann geht die Fahrt über Toscolano-Maderno, Gardone und Salò und um den südwestlichen Teil des Sees herum nach Valeggio sul Mincio. Das schöne B&B »La Rocchetta« ist unser Domizil für die nächsten Tage. Mit unserem Sohn sind wir in der Eisdiele am Platz rasch gut bekannt.
Am Ostufer des Gardasees, wo die Hänge des Monte Baldo aus der Ebene aufsteigen, liegen schöne Gebiete mit submediterraner Flora und Fauna. Wir suchen erfolglos nach den Smaragdeidechsen, die wir vor zwei Jahren hier so häufig gesehen haben. Doch die Blütenpracht entschädigt uns. Neben anderen Orchideen steht hier das Wohlriechende Wanzen-Knabenkraut Anacamptis fragrans in Knospe, und einige der kleinblütigen Hummel-Ragwurzen Ophrys fuciflora s.l., von manchen als Ophrys brachyotes, O. tetraloniae oder gar O. annae gesehen, geben sich die Ehre. Und auch deren Hybride mit der Gardasee-Ragwurz, Ophrys × baldensis: das ist natürlich ein besonderer Glücksfund.
Hummel-Ragwurz, Ophrys fuciflora s.l.
Ophrys × baldensis, die Hybride der Gardasee-Ragwurz mit der kleinblütigen Hummelragwurz vom Gardasee
Den restlichen Tag verbringen wir am Strand, und unser kleiner Schatz führt sich gleich wohl in seinem (neuen) Element.
In der Ebene südlich des Gardasees ist sommerliche, schwüle Hitze eingekehrt. Kein gutes Wetter für Städtetouren oder gar Wanderungen mit Kind. Daher verbringen wir die Tage mit unserem Sohn am Strand, und die Abende in den Städtchen.
Valeggio sul Mincio
Unser Urlaubsort Valeggio sul Mincio ist vor allem bekannt für seine Tortellini und für den Garten Sigurtà. Es ist aber auch ein wunderschöner Ort mit interessanter Geschichte. Von unserem Quartier in Valeggio aus ist man schnell unten am Fluss Mincio, dem einzigen Abfluss des Gardasees, der bei Peschiera den See verlässt und ziemlich zielstrebig südwärts zum Po fließt. Die martialische Silhouette der Skaligerburg wacht über das Tal des Mincio. Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert. Ihre Schwalbenschwanzzinnen weisen ihre Besitzer als Ghibellinen aus, also Gefolgsleute des Kaisers. Es waren dies die Scaligeri aus Verona, die grausamen Tyrannen und Kunstmäzene der Familie della Scala. Im Spätmittelalter wurde ganz Norditalien von erbitterten Kämpfen zwischen den papsttreuen Guelfen und den kaisertreuen Ghibellinen erschüttert. Es war naheliegend, an dieser strategisch günstigen Stelle hoch über dem Fluss eine Landmarke zu setzen. Doch 1378 war es aus damit, die Visconti aus Mailand eroberten Verona und das Territorium der Skaliger.
Um an das Herzogtum Mantua zu kommen, ersannen die Visconti eine bemerkenswert aufwändige Kriegslist. Sie wollten den vom Mincio gespeisten Wassergürtel Mantuas trockenlegen, um somit die Stadt leichter einnehmen zu können. Dazu bauten sie zwischen 1393 und 1395 ein gewaltiges Dammbauwerk am Mincio, den »Ponte Visconteo«. Doch aus den Eroberungsplänen wurde nichts, denn bereits 1405 fiel das Territorium von Verona an die Republik Venedig. Als monströse Ruine, 650 Meter lang und 25 Meter breit, steht das Bauwerk nun über dem Fluss und wird ganz banal als Straßenbrücke genutzt. Doch einmal im Jahr dient es als Kulisse für das Fest der Tortellini, die »Festa del Nodo d’Amore«. Was liegt näher, als eine 650 Meter lange Festtafel zu decken? Den Visconti sei Dank…
Ponte Visconteo bei Valeggio sul Mincio
Gleich unterhalb dieser kuriosen Stätte liegt Borghetto, eine kleine Mühlensiedlung auf künstlichen Inseln mitten im Fluss. Die Gässchen und Wasserkanäle bieten malerische Ansichten und schöne Plätzchen, auf denen man die kulinarischen Köstlichkeiten der Region genießen kann.
Borghetto bei Valeggio sul Mincio
Borghetto bei Valeggio sul Mincio
Sirmione
Sirmione liegt am Ende einer 4 km in den Gardasee ragenden, sehr schmalen Halbinsel. In Römischer Zeit muss Sirmione ein ziemlicher Luxus-Urlaubsort gewesen sein. Von dieser Epoche künden die Ruinen der »Thermen des Catull« ganz am Nordende der Halbinsel, mit spektakulärem Blick auf den See und seine Gebirgskulisse. Drei Villen standen damals als Domizile hier, und der Poet Gaius Valerius Catullus zählte zu den Stammgästen. Er schrieb einen Lobgesang auf Sirmione: »Salve o venusta Sirmione«. Irrtümlich wurden die heute erhaltenen Ruinen als Wohnsitz Catulls gedeutet; tatsächlich wurden die Gebäude erst nach seinem Tod errichtet.
Blick von den Grotten des Catull auf den Gardasee
Wie Valeggio hat auch Sirmione eine Skaligerburg, und sie kündet von der Grausamkeit ihrer Besitzer. Denn Mitte des 13. Jahrhunderts zogen sich die während der Inquisition verfolgten Katharer nach Norditalien zurück und hielten sich zuletzt noch in Sirmione. Doch 1276 ging der Herrscher Mastino I. della Scala gegen sie vor, und zwei Jahre später wurden etwa 200 Katharer in der Arena von Verona verbrannt.
die Skaligerburg von Sirmione
Heute kann man in Sirmione in Ruhe durch die Gassen wandeln und auf der Piazza einen Spritz Aperol genießen. So ein leuchtend orangenes Getränk muss man einfach probieren. Wer denkt, dass der in Deutschland gerade zum Szenegetränk avancierende Aperitivo ein neuer Marketing-Gag ist, irrt: der Name geht auf die österreich-ungarischen Zeiten Norditaliens zurück. Und damit ich zuhause nicht jedesmal nach dem Rezept suchen muss, notiere ich es eben: 6cl Prosecco, 4cl Aperol, ein Spritzer Soda, ein paar Eiswürfel und eine Orangenscheibe.
Wir genießen den Drink und die Atmosphäre umso mehr, weil unsere Abende zwangsläufig sonst ja recht früh enden. Doch heute kommt unser Kleiner eben mal etwas später ins Bett. Er nimmt es uns nicht übel, schließlich kriegt er hier ja auch was geboten und schaut begeistert dem munteren Treiben in diesem schönen italienschen Städtchen zu.
Spritz Aperol
Orchideen am Fuß des Monte Baldo
In der Frühe geht es noch einmal an den Südhang des Monte Baldo. Ich habe die Hoffnung, in der ersten Morgensonne Smaragdeidechsen anzureffen, die die ersten Sonnenstrahlen erhaschen. Doch auch heute lässt sich keine einzige blicken. Sehr typisch für diese Standorte sind wärmeliebende Arten wie der Perückenstrauch Cotinus coggygria, Gelbscheidiges Federgras Stipa pulcherrima und die Wehrlose Trespe Bromus inermis, ein Gras mit schönen gelben Blüten.
Perückenstrauch, Cotinus coggygria
Natürlich gibt es hier auch Orchideen in großer Vielfalt: Am auffallendsten sind zahlreiche spätblühende Pyramiden-Orchideen Anacamptis pyramidalis subsp. serotina, die derzeit noch in knospig-aufblühendem Zustand sind. Vollends abgeblüht sind dasgegen die Kleinen Knabenkräuter Anacamptis morio. Binnen weniger Tage ist seit dem letzten Besuch nun das Wohlriechende Wanzen-Knabenkräuter Anacamptis coriophora subsp. fragrans aufgeblüht. Eine wahre Augenweide inmitten des Federgrases! Und schließlich gibt es überall und immer wieder Dreizähniges Knabenkraut Neotinea tridentata zu sehen.
Wohlriechendes Wanzen-Knabenkraut, Anacamptis coriophora subsp. fragrans
Dazu kommen aber noch weitere Arten: der Dingel Limodorum abortivum und mehrere Ophrys-Arten, nämlich die im Abblühen begriffene Fliegen-Ragwurz Ophrys insectifera, die aufblühende merkwürdige kleine Gardasee-Hummel Ophrys fuciflora s.l. / brachyotes?, bereits vollständig abgeblühte Spinnen- Ophrys sphegodes und Gardasee-Ragwurze Ophrys benacensis sowie hin und wieder aufblühende Bienen-Ragwurze Ophrys apifera, eine davon sehr apart mit weißem Perigon.
Bienen-Ragwurz, Ophrys apifera, mit weißem Perigon
Schön, wenn man in diesem Eldorado genügend Zeit fürs Beobachten und Fotografieren hat. Nachteil meines längeren Aufenthaltes ist jedoch ein äußerst heftiger Heuschnupfen, der auf die Atemwege und die Augen geht, mit zwei Tagen Augenschwellung…
Den Nachmittag verbringen wir am See in der Nähe von Peschiera. Unser Sohn ist ganz begeistert vom Wasser und von den kleinen Kieselsteinchen. Und im Hafenbecken schwimmt ein prächtiges Männchen der seltenen Kolbenente Netta rufina, das ist natürlich eine schöne Gelegenheit für ein Vogelfoto.
Männchen der Kolbenente, Netta rufina
Mantua
Eine Tagesfahrt führt uns nach Mantua. Diese schöne Stadt, deren Stadtzentrum zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, liegt in einem weiten Bogen des Mincio. Mantua geht auf eine Gründung der Etrusker zurück. Der Kunstsinn der Familie Gonzaga, im 16. Jahrhundert zu Herzögen eroben, bescherte Mantua einige herausragende Kunstwerke: Beispielsweise die Basilika Sant’Andrea, das letzte Werk (1470) des Renaissancearchtitekten Leon Battista Alberti. Oder den Palazzo del Te, 1525 bis 1535 von Giulio Romano erbaut, eine der seltenen Architekturen des Manierismus. Auf den ersten Blick erscheint dieser Palast nicht ungewöhnlich, doch der zweite offenbart unregelmäßige Stützenstellungen, asymmetrische Fensterachsen, verrutschte Schlusssteine und scheinbar unvollendete Ornamentfriese.
Mantua, Basilica Sant’Andrea
Nach dem eher geruhsamen Aufenthalt am südlichen Gardasee geht es nun wieder in Richtung Norden, aber vor der Heimreise erst noch einmal in die Dolomiten.
Dolomiten: Primiero und Pala
Quartierwechsel in die Dolomiten. Es regnet quasi ununterbrochen, aber an einem Tag, den man überwiegend auf der Fahrt verbringt, ist das nicht so schlimm. Am Ostufer des Gardasees entlang fahren wir wieder an Arco vorbei in das Valle dei Laghi und pausieren auch noch einmal am Castel Toblino. Durch Trient und das Val Sugana geht es ostwärts in Richtung Dolomiten. Über den Passo Brocòn erreichen wir das Vanoi-Tal und das Primiero, die östlichste der historischen Talgemeinschaften des Trentino.
Unerwartet schwierig gestaltet sich die Quartiersuche. Ein kleines Appartement ist nicht ausfindig zu machen, und die Hotels sind entweder voll oder zu. Doch dank eines guten Tipps eines Einheimischen landen wir in der Pension Villa Sole, einer ganz neuen und sehr freundlich gepflegten Unterkunft mit moderaten Preisen. Am Abend klart dann sogar noch der Himmel auf, und wir sehen das herrliche Bergpaar der südlichen Pala: Sass Maor (2814 m) und Cima della Madonna (2752 m).
Cima della Madonna und Sass Maor, gesehen von Transacqua
Rund um die Marmolada
Von Transacqua aus machen wir eine Rundfahrt um die Pala und die Marmolada herum. Am Rolle-Pass sind die Berge noch völlig wolkenverhangen. Kein Blick auf die berühmten Pala-Gipfel, die Segantini von hier aus malte: Cima Vezzana (3192 m) und Cimon della Pala (3184 m). Nordwärts führt die Route hinab in den düsteren Forst von Paneveggio. Aus diesem großen, eindrucksvollen Nadelwald stammt das Holz der Stradivari-Geigen, doch auch gegenwärtige Geigenbauer schätzen das gleichmäßig gewachsene Holz der alten Haselfichten. Hinter Bellamonte stehen schöne Pflanzen am Straßenrand: Holunder-Knabenkraut Dactylorhiza sambucina, Fleischfarbenes Knabenkraut Dactylorhiza incarnata und Paradieslilie Paradisea liliastrum.
Paradieslilie, Paradisea liliastrum
typische Gebirgsform des Fleischroten Knabenkrautes, Dactylorhiza incarnata
Nach einem Abstecher ins untere Fleimstal bis nach Cavalese geht die Weiterfahrt hinauf ins Fassa-Tal, eines der vier ladinischen Täler rund um die Sella, zwischen Rosengarten, des Langkofel (3181 m) und der Marmolada (3343 m) gelegen. Gewaltig ist der Blick auf den Gran Vernel (3205 m), einen Nebengipfel der Marmolada.
Gran Vernel
Über die Fedaia-Straße fahren wir hinau zum gleichnamigen, 2057 m hoch gelegenen Pass. Hier liegt noch viel Schnee. Ganz nah an der Straße sind bereits die Murmeltiere zugange. An sonnenbegünstigten Hängen blühen Schwefel-Anemone Pulsatilla alpina subsp. apiifolia und Südliches Lungenkraut Pulmonaria australis. Kurz nach der Passhöhe öffnet sich der Blick auf die eindrucksvolle Nordwestwand der Civetta (3221 m).
Das jenseits des Passes gelegene Agordino gehört bereits zu Venetien. Unten in Caprile staunen wir über die gewaltigen mehrgeschossigen Holzhäuser und wiederum über die nun ganz nahe Civetta. Ein weiterer großer Dolomitengipfel, der Monte Agnèr (2781 m) bei Agordo, ist dagegen in Wolken. Über den Cereda-Pass erreichen wir wieder das Primiero. Unser Söhnchen genießt die volle Aufmerksamkeit im Wirtshaus und tut sich an unserem Wildpret gütlich, während seine Gnocchi unangetastet bleiben.
Val Canali und Val Pradidali
Einen ganzen Tag verbringen wir im Val Canali. Ein starker Nordföhn sorgt für sonniges Wetter, während der nördliche Alpenrand im Regen absäuft. Nachteil dieser Wetterlage ist ein starker, kalter Nordwind, der von den Bergen herabweht.
Hinter Tonadico, zu Füßen der mittelalterlichen Ruinen des Castel Pietra, zweigt ein Sträßchen in das Tal ab. Das erste Fotomotiv fällt aus: der Lago Welsperg, in dem sich Cima della Madonna und Sass Maor spiegeln sollen, wird gerade umgebaut. Klingt komisch, ist aber so: Kein Wasser, sondern nur schweres Gerät. Der kleine See soll renaturiert werden, der Aufwand erscheint ein wenig fragwürdig. Ein Stück weiter liegt die Villa Welsperg im satten Grün der Wiesen, hier ist das Infozentrum des Naturparks Paneveggio-Pala untergebracht.
Val Canali
Beeindruckend sind die Silhouetten der südlichen Pala-Berge hoch über dem Wildbach des Tales: Sass Maor (2814 m), Cima Canali (2900 m), Sasso delle Lede (2580 m) und Sass d’Ortiga (2634 m). Letzterer hat ein markantes Profil mit einem Klemmblock knapp unterhalb des Gipfels. In der Nähe des Cant del Gal zweigt das Val Pradidali ab, ein Seitental, das hinauf ins Herz der Pala führt. In diesen Gebirgstälern am Südrand der Dolomiten treffen alpine auf wärmeliebende Pflanzenarten. Unter vielem Anderem haben wir hier die Alpen-Waldrebe Clematis alpina, die Dreiblättrige Anemone Anemone trifolia, das Pyrenäen-Drachenmaul Horminium pyrenaicum und die Krainer Wolfsmilch Euphorbia carniolica gefunden.
Der Sass d’Ortiga mit dem Klemmblock
Am Sonnenhang des Val Canali, rund um die Lokalität Piereni, liegen schöne Almwiesen, direkt am Fuß der bleichen Pala-Felsen. Und auch bis hierhin hat sich unsere typisch trientinische Orchidee gewagt: das Dreizähnige Knabenkraut Neotinea tridentata blüht auch hier oben unter den eisigen Dolomitengipfeln in großer Zahl. Zwar blieb uns das sehr seltene Wanzen-Knabenkraut Orchis coriophora verborgen, doch umso mehr freuten wir uns über die Hybride von Dreizähnigem und Brand-Knabenkraut: Neotinea tridentata × ustulata.
Die Hybride von Brandknabenkraut (Neotinea ustulata) und Dreizähnigem Knabenkraut (Neotinea tridentata)
Unten am türkisblauen Torrente Canali blicken wir noch einmal hinauf in die felsige Wildnis der Pala. Am nächsten Tag ist die Heimreise angesagt.
Val Canali
Die zweieinhalb Wochen im Trentino sind nun vorüber. Über den Rolle-Pass geht die Fahrt in Richtung Heimat. Auch heute ist das Wetter gut, denn weiterhin weht der stramme Nordföhn. Bei der Auffahrt zum Pass beeindrucken die roten Schichten der Grödener Sandsteine, und zwar so sehr, dass man auf Steinschlag infolge Geologiestudenten aufpassen muss. Für eine Wanderung mit Baby in der Kraxe zur Baita Segantini ist es definitiv zu kalt. Also lassen wir es gemächlich hinab ins Fleimstal rollen. Von dort aus geht dann die Weiterfahrt nach Auer ins Etschtal und über den Brenner in den kalten, regnerischen Norden.
Blick vom Passo Rolle zum Sass Maor und zur Cima della Madonna
Doch vorher werfen wir noch einmal einen Blick zurück. Über den düsteren Wipfeln des Geigenwaldes Paneveggio thronen die beiden Hauptipfel der Pala: die massige Cima Vezzana (3192 m) und der schlanke Cimon della Pala (3184 m), ein majestätischer Anblick.
Cima Vezzana und Cimon della Pala
Es war eine schöne Reise, diese erste mit Kind.
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Hallo, Marco,
Du hast eine traumhafte Reise hinter Dir:-) Sehr interessant sind die Fotos, Erzählungen, Orte und… Orchideen selbstverständlich:-)) Große Klasse! Ich bin begeistert!!!
LG, Vladimir
Antwort von Marco:
Hallo Vladimir, vielen Dank und beste Grüße nach Kiev!
Marco
guten tag,
da ich selbst aus Südtirol komme, muss ich sagen, dass Sie das Land von seiner besten Seite gesehen haben…
wunderbare Bilder =)
gruß Patrick
Antwort von Marco:
Vielen Dank!
Eine herrliche Lektüre zum Start in den Tag. Auch nach acht Jahren macht es Spaß, euer Erlebtes noch einmal nachzuvollziehen. Gestern war das Highlight der Blick vom Torre dei Lamberti auf Verona, heute geht’s nach Mantua – Schiffchen fahren auf dem Mincio?
Antwort von Marco:
Danke, Jan. Super – grüß mir Mantua!
Marco
Leider habe ich nirgrnds gelesen wann sie unterwegs waren!!!!
Mfg
G.lin
Antwort von Marco:
Hallo Frau Linecker, Sie finden die Daten in den Flickr-Bildsammlungen, auf die ich verlinkt habe.
Gruß – M. Klüber